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Andrew Ullmann
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Frage von Martina G. •

Frage an Andrew Ullmann von Martina G. bezüglich Gesundheit

Wie stehen Sie zu dem Problem der fehlenden medizinischen Versorgung von Patienten mit ME/CFS (G. 93.3)?. Trotz etwa 250.000 ME/CFS-Kranken gibt es de facto keinen Zugang zu einem Minimum an ärztlicher Versorgung. Die meisten Ärzte kennen diese Erkrankung nicht und können diese nicht diagnostizieren. Dies führt zu einer hohen Dunkelziffer mit gefährlichen Konsequenzen für die Erkrankten. Trotzer eindeutiger Faktenlage (laut US-Gesundheitsbehörden wie dem Centers for Disease Control and Prevention) überwiegt in Deutschland der Irrglaube, es handle sich um eine psychische Erkrankung und es werden schädigende Therapien empfohlen (Bewegungstherapie, aktivierende Psychopharmaka). Im Extremfall kann Belastung zu langfristiger Schädigung führen (u.a. Prof. Scheibenbogen, Charité).
In den 30 Jahren meiner Erkrankung habe ich noch keinen Arzt mit minimalen Kenntnissen getroffen. Während Infekte und ständige Grippesymptome die ersten Jahre prägten, kann ich mittlerweile kaum mehr arbeiten gehen. Ich benötige immer wieder Schmerzmittel und Cortison.

Wie kann sowas in Deutschland passieren? Wieso reagieren andere Staaten auf den Forschungsstand. Die norwegische Premierministerin hat sich öffentlich entschuldigt und Besserung gelobt.

Wer kontrolliert die Ärzte bzw. deren Fachgesellschaften? Mir ist bekannt dass die Präsidentin der DEGAM absichtlich wichtige Studien ignoriert hat um ihre merkwürdige Leitlinie durchzuboxen.

Wieso gibt es kaum Forschungsgelder? Trotz eines wirtschaftlichen Schadens in zweistelliger Milliardenhöhe (US-Gesundheitsbehörde) und einem unendlichen Leid für uns und unseren Familien ist der Forschungsetat lächerlich. Vielen Dank.
Freundliche Grüße
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Antwort von
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Sehr geehrte Frau G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ihr persönliches Schicksal ist sehr bedauerlich und es ist äußerst schade, dass Sie das Gefühl haben, in Ihrem Leiden keine medizinische und politische Unterstützung gefunden zu haben. Vorab möchte ich sagen, dass ich diese Frage eher als Arzt und Forscher beantworte, denn ich sehe hier kein vordringliches politisches Problem, zumal eine Staatsmedizin, aus meiner Sicht, keine Lösung für irgendein medizinisches Problem ist und sein kann.

Der Symptomenkomplex ME/CFS wird an den Universitäten gelehrt. Allerdings sind die Ärzte für ihre Weiter- bzw. Fortbildung im Rahmen der Selbstverwaltung selbst verantwortlich. Die ME/CFS besitzt einen Symptomenkomplex. In Berichten jedoch wird CFS häufig als sekundäre Folge einer Krebsbehandlung erwähnt. Aber natürlich gibt es auch primäre Formen. Um dies zu erkennen, bedarf es einer ausgiebigen Untersuchung bzw. Anamnese. Rein von Ihrer Schilderung her kann ich Ihren Fall medizinischen nicht beurteilen und kann auch nichts dazu sagen, welche Fachärzte sie getroffen haben und welche Fort- und Weiterbildungen diese in dem Bereich ME/CFS hatten und warum Symptome ggf. inkorrekt interpretiert wurden.

Zu dem Vorwurf, dass die Präsidentin der DEGAM "absichtlich wichtige Studien ignoriert hat, um Leitlinien durchzuboxen", kann ich ebenfalls nichts sagen. Solch ein Vorwurf ist sehr schwerwiegend und sollte nicht leichtfertig erhoben werden. Mir ist nur der Kenntnisstand des Robert Koch-Instituts (RKI) bekannt. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/C/Chron_Fatigue_Syndrom/Inhalt/CFS_Erkenntnisstand_2015.pdf?__blob=publicationFile

Die mir bekannte Leitlinie zur "Müdigkeit" betrifft einen Teilaspekt des ME/CFS: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-002k_S3_Muedigkeit_2018-05.pdf

bzw. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-002.html

Validierte Berechnungen zum wirtschaftlichen Schaden (in Deutschland) konnte ich keine finden.

Bezüglich der Forschung zu ME/CFS habe ich aus amerikanischen Quellen folgende Information (Nature 2018): The US National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland, bolstered the field last year by more than doubling spending for research into the condition, from around US$6 million in 2016 to $15 million in 2017. Included in that amount are funds for four ME/CFS research hubs in the United States that will between them receive $36 million over the next five years.

Da der Bereich der medizinischen Forschung stark internationalisiert ist, gehen die Ergebnis der amerikanischen Forschung auch in die Arbeit und Lehre an den deutschen Hochschulen und endlich auch in die ärztliche Versorgung vor Ort ein. Darüber hinaus besteht in Deutschland die Möglichkeit im Rahmen eines Antrags bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung für eine klinische Studie zu erhalten. Die DFG hat das Förderprogramm „Klinische Studien“ erweitert. Bisher wurden rund 39 Millionen Euro für Studien aus allen Bereichen der Medizin und Psychologie neu bewilligt. (Quelle: http://www.dfg.de/foerderung/programme/einzelfoerderung/klinische_studien/) Die Initiative muss allerdings von den Forschenden selbst ausgehen. Ich sehe es nicht als staatliche Aufgabe an, in die Forschungsfreiheit einzugreifen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrew Ullmann

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