Andreas Steppuhn
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Frage von Diethelm H. •

Frage an Andreas Steppuhn von Diethelm H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Steppuhn,

wie sehen Sie die Zwangsmitgliedschaft von Unternehmen egal welcher Größe,in den Kammern (Handwerkskammer,IHK etc).
Deutschland ist in Europa eines von wenigen Ländern wo so eine umstrittene Mitgliedschaft verlangt wird. Es ist eigentlich schon überfällig, das der Bundestag sich mit diesem Thema auseinandersetzt um KMU´s (Kleine u. Mittelst. Unternehmen) zu entlasten. Gerade im Kammerbezirk Magdeburg wo nicht gerade sorgfältig mit den Beiträgen umgegangen wurde und die Tatsache das Frau Knoblauch als ehemalige Kammerchefin die zurücktreten musste auch noch eine Abfindung von über 100.000 EUR bekommt, frage ich mich wirklich, warum diese Zwangsmitgliedschaft.

Diethelm Huth

Andreas Steppuhn
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Huth,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie fragten mich nach meiner politischen Haltung zur gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in Kammern.

In Kammern übernehmen und erledigen bestimmte Berufsgruppen Aufgaben, die der Gesetzgeber zuvor als öffentliche definiert und beschlossen hat, in eigener Selbstverwaltung. Deshalb unterliegen die Kammern in Deutschland auch der staatlichen Aufsicht und haben die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Im Ausland werden derartige Aufgaben vom Staat selber wahrgenommen. Beispielsweise hat der Gesetzgeber in Deutschland die Aufgabe, die Berufsausbildung im Handwerk zu regeln, den Handwerkskammern übertragen.
Der Staat könnte diese Aufgaben auch selber mit seinen Beamten und
Angestellten ausführen und aus Steuern oder Gebühren finanzieren. Er hat
sich aber dafür entschieden, diese wichtige Aufgabe der Selbstverwaltung
des Handwerks zu übertragen. Dem Subsidiaritätsprinzip des Grundgesetzes
folgend, sollen öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah vor Ort und
unter Einbeziehung des Sachverstands und des Engagements der davon
direkt Betroffenen erledigt werden.

Selbstverwaltung kann in der Praxis aber nur funktionieren, wenn alle Betroffenen auch durch Mitgliedschaft daran beteiligt sind. Nur die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern sichert Rechte und Pflichten aller und beugt dem „Trittbrettfahrertum“ vor.

Wäre der Beitritt zu einer Kammer freiwillig, hinge die Zusammensetzung der Mitgliedschaft stark vom Zufall ab. Möglicherweise würden finanzstarke Mitglieder ihre Eigeninteressen in den Vordergrund schieben und dadurch das Allgemeinwohl schädigen. Das Prinzip der gesetzlichen Mitgliedschaft stellt demgegenüber sicher, dass nicht eine bestimmte Gruppe (z. B. in einer Ärztekammer die Gruppe der Zahnärzte), sondern alle Angehörigen einer klar bezeichneten Berufsgruppe (also in diesem Beispiel alle Ärzte) gemeinsam berufsständische Aufgaben wahrnehmen und ihre Interessen gegenüber Staat und Gesellschaft bündeln.

Sie haben zu Recht die skandalösen Ereignisse im Handwerkskammerbezirk Magdeburg angesprochen. Gerade die Abberufung der ehemaligen Hauptgeschäftsführung der dortigen Kammer und die demokratische Wahl einer neuen Geschäftsführung durch die dafür verantwortlichen Organe der Selbstverwaltung sind meiner Beobachtung nach ein gutes Indiz dafür, dass Kammerselbstverwaltung auch in Krisensituationen funktioniert.

Sie haben mich zudem auf die finanzielle Belastung von kleinen und mittleren Unternehmen durch Pflichtbeiträge hingewiesen. Die Höhe des Kammerbeitrags wird in der Regel von den demokratisch gewählten Vollversammlungen der Kammern festgelegt. Er richtet sich im Handwerk
z. B. nach der Leistungsfähigkeit des Betriebes. Damit ist sichergestellt, dass kein Betrieb mit der Höhe der ihm auferlegten Pflichtbeiträge wirtschaftlich überfordert wäre.

Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie einen sorgfältigen Umgang mit Mitgliedsbeiträgen in Kammern anmahnen. Ich möchte daher anregen, dass Sie sich mit Ihrem Sachverstand aktiv in die Selbstverwaltung Ihrer Berufsgruppe einbringen und dort eine wirtschaftliche Aufgabenerledigung unterstützen.

Die Kammern erbringen zum einen wichtige Serviceleistungen für Betriebe
aus Industrie, Handel und Handwerk (Betriebswirtschaftliche Beratung,
Informationsveranstaltungen zu neuen Entwicklungen usw.).
Zum anderen setzen sich die Kammern als Interessenvertreter der
Wirtschaft für politische Rahmenbedingungen ein, die für den
wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Betriebe erforderlich sind.
Beispielsweise sind die erfolgreichen Initiativen zum Bürokratieabbau
auf die Aktivitäten der Kammern zurückzuführen.

Die Kammern sind zudem gesetzlich dazu verpflichtet, die Behörden bei der Förderung von Industrie, Handel und Handwerk durch Anregungen, Vorschläge und die Erstellung von Gutachten zu unterstützen. Regelmäßig untersuchen sie die wirtschaftliche Situation in den Kammerbezirken, nehmen die Impulse ihrer Mitgliedsbetriebe auf und setzen sich gegenüber Politik, Verwaltung und anderen Verbänden für Verbesserungen ein.

Weil ich diese Aufgaben für sehr wichtig erachte, mache ich mich nicht für die Abschaffung des Kammerwesens in Deutschland stark.

Ich möchte Sie herzlich einladen, das Gespräch mit der für Sie
zuständigen Kammer zu suchen und Ihre Ansprüche an eine wirksame
Interessenvertretung dort vorzutragen. Ich bin gerne bereit, Sie dabei
praktisch zu unterstützen. Bitte informieren Sie mich, sollten Sie den
Eindruck haben, dass Ihre Anliegen bei Ihrer zuständigen Kammer nicht
ausreichend aufgegriffen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Steppuhn, MdB