Portrait von Andreas Scheuer
Andreas Scheuer
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Andreas Scheuer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Martin S. •

Frage an Andreas Scheuer von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung

Werter Herr Scheuer,

sie haben am 28.5.2009 gegen die Abgabe von künstlichem Heroin an Schwerstabhängige gestimmt.

Das finde ich schlecht, insbesondere da ich jeden Tag die menschunwürdige Situation am Kottbusser Tor in Berlin sehe. Dort wird genau diese Personengruppe von der Berliner Polizei tagtäglich drangsaliert.

Können Sie mir ihre Beweggründe nennen?

grüße,

Portrait von Andreas Scheuer
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Steldinger,

vielen Dank zu Ihrer Frage zur Heroinabgabe.

Der Kampf gegen die Drogenabhängigkeit ist für die Süchtigen aber auch ihre Familienangehörigen, Freunde und unsere Gesellschaft eine der größten Herausforderungen. Die von Ihnen geschilderten Eindrücke vom Kottbusser Tor in Berlin lassen sich auf eine Vielzahl von Stadtbezirken in der ganzen Bundesrepublik übertragen. Deswegen stehen wir alle in der Verantwortung, unseren Beitrag für eine Verbesserung der Situation zu leisten. Viele Menschen leisten beruflich oder ehrenamtlich hier bereits eine herausragende Arbeit. Diese wollen auch wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützen und weitere Verbesserungen in diesem Bereich erzielen. Wir setzen uns deshalb auch weiter für Prävention und Hilfe zum Ausstieg ein.
Gegenstand des angesprochenen Gruppenantrags zur Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige ist es, dass Diamorphin als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel eingestuft und von den Krankenkassen finanziert werden soll. Die damit beabsichtigte heroingestützte Substitutbehandlung lässt auch im Nachgang der parlamentarischen Behandlung noch viele Fragen offen. Ungeklärt ist insbesondere der Beitrag der psychosozialen Betreuung zum Erfolg der Behandlung: bei optimaler psychosozialer Begleitung - wie in dem Modellprojekt - werden nicht nur mit der Diamorphin- sondern auch mit einer Methadonsubstitution gute Ergebnisse erzielt. So trat in dem Modellprojekt auch bei 74% der methadonbehandelten Patientengegen-über 80% der Diamorphinpatienten eine erhebliche medizinische Verbesserung ein. Vor dem Hintergrund, dass sich das Projekt gerade auf Methadonversager bezog, lässt dies den Schluss zu, dass nicht nur der Wirkstoff, sondern vor allem die optimalen Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Behandlung spielen.

Das Ergebnis zeigt, dass die psychosoziale Begleitung bestehender Substitutionsbehandlungen offenbar unzureichend ist. Gäbe es hier Verbesserung, könnte die Zahl der Methadonversager deutlich geringer sein. Diese Erkenntnis darf bei einer verantwortungsvollen Entscheidung über die Einführung der Heroinbehandlung nicht unberücksichtigt bleiben. Auch das Ziel des Ausstiegs aus der Drogensucht darf nicht aufgegeben werden. Bisher wurde nicht untersucht, inwieweit sich die Vergabe des originären Suchtmittels mit dem vorrangigen Ziel der Ausstiegsorientierung vereinbaren lässt.
In den parlamentarischen Beratungen haben Experten nachvollziehbar dargelegt, dass bis zu 80.000 Abhängige einen Anspruch auf eine Diamorphinbehandlung hätten. In Zeiten knapper Kassen können wir unseren Mitbürgern nicht zumuten, die Kosten für ein Behandlungssystem aufzubringen, dessen Nutzen nicht erwiesen und dessen Behandlungsdauer völlig offen ist. Wir haben hier auch gegenüber den Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung die politische Pflicht für einen verantwortungsvollen Einsatz der Beitragsmittel.

Die Union forderte deshalb in ihrem Antrag die Weiterführung der Modellprojekte, um diese wichtigen noch offenen Fragen zu klären und die Überführung in die Regelversorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abgelehnt. Unser Ziel war es dabei, die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen und neue Schwer-punkte zu setzen, um eine verantwortungsvolle Entscheidung für die Abhängigen aber auch die Solidargemeinschaft zu treffen.
Die abschließende Debatte zu den Anträgen und Gesetzentwürfen zum Thema Heroinsubstitution fand am 28.5.2009 im Plenum statt. Der "Entwurf eines Gesetzes zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung" der SPD (Drs.16/11515) wurde mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Andreas Scheuer, MdB