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Andreas Meihsies
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Frage von Sebastian H. •

Frage an Andreas Meihsies von Sebastian H. bezüglich Energie

Lieber Herr Meihsies,

ich sehe den Ausstieg aus der (aktuell noch vorrangig) fossilen und nuklearen Energieversorgung als eine Bedingung für eine zukunftsfähige Energieversorgung. Meine Frage an Sie ist eine Frage visionären Charakters. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Energieversorgung in Deutschland in 15-20 Jahren aussehen, was werden Sie konkret im Bundestag hierfür tun, sollten Sie gewählt werden?

Über eine Nachricht würde ich mich freuen!

Herzliche Grüße,
Sebastian Heilmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr Heilmann,

an dieser Stelle kann ich mit großer Freude sagen, dass wir Grüne noch Visionen haben. Unsere energiepolitischen Visionen, hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien, will ich Ihnen gern nennen.

Wir wollen die Erfolgsgeschichte des EEG weiter vorantreiben und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in erneuerbare Energien schaffen, damit schon 2020 über 40 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stammen.

Unser Ziel ist der vollständige Umstieg auf Strom aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse und Erdwärme, möglichst bereits bis 2030. Damit mindern wir die Abhängigkeit von importierten Brennstoffen, senken die CO2-Emission drastisch, auch ohne Kohle und Atom, und sorgen für technische Innovationen und Investitionen in eine zukunftsfähige Energieversorgung, die Hunderttausende neuer Arbeitsplätze schafft.

Wir brauchen eine klare Richtungsentscheidung für die deutsche Stromwirtschaft: Weg von fossilen und nuklearen Großkraftwerken und hin zu erneuerbaren Energien, Effizienz und Energieeinsparung.

Das bedeutet auch, die Stromnetze für den Umstieg auf erneuerbare Energien fit zu machen. Neue Speicher und Leitungen, vorzugsweise als Erdkabel, sind ebenso erforderlich wie eine optimierte Netzsteuerung und "intelligente Stromzähler".

Mit zukunftsweisenden Investitionen können und müssen wir heute schon die Voraussetzungen für eine klimafreundliche und dauerhafte bezahlbare Stromversorgung auf Basis erneuerbarer Energien schaffen.

Die wichtigsten Zahlen:
- Knapp 16 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland wurde 2008 aus erneuerbaren Energien gedeckt (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2009).
- 280.000 Menschen arbeiten heute in der Erneuerbaren-Branche (Bundesumweltministerium, 2009)
- Die Mehrkosten für das EEG betrugen 2007 etwa 3,2 Milliarden Euro, was die Stromrechnung eines Vierpersonenhaushaltes um etwa zwei Euro erhöht. (BMU, 2008)
- Der Ersatz von Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran durch erneuerbare Energien vermeidet heute bereits Energieimporte in Höhe von 17 Milliarden Euro. (Bundesverbandes Erneuerbare Energie, 2009).

Laut Weltklimarat müssen die Industrieländer bis 2050 ihren CO2-Ausstoß um deutlich mehr als 80 Prozent senken, um die globale Klimaerwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dieses Ziel ist die Richtschur grüner Energiepolitik. Es ist nur durch Energiesparen und den Umstieg auf erneuerbare Energien zu erreichen.

Bereits ein Bruchteil der in Deutschland vorhandenen Potenziale an Wind, Sonnenstrahlung, Wasserkraft, Biomasse, Meeresenergien und Erdwärme reichen aus, um den Energiebedarf zu decken. Die erforderlichen Technologien stehen zur Verfügung. Und mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben wir die politischen und rechtlichen Grundlagen für den Boom der erneuerbaren Energien geschaffen.

Zudem spricht die Ökonomie für die Erneuerbaren. Durch Innovation und Massenfertigung sinken die Kosten für Ökostrom stetig, während fossile Brennstoffe zunehmend teurer werden. Bereits in wenigen Jahren wird Strom aus erneuerbaren Energien daher kostengünstiger erzeugt werden als der konventionelle Strommix.

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Studien, die einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich vorhersagen. In unserem Konzept Energie 2.0 haben wir einen Ökostrom-Anteil von 43 Prozent bis 2020 vorgegeben. Mindestens 30 Prozent Ökostrom strebt die Bundesregierung an, knapp 40 Prozent sind nach der Leitstudie 2008 des Bundesumweltministeriums möglich. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat kürzlich vorgerechnet, dass sogar 47 Prozent Ökostrom bis 2020 möglich sind. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen geht davon aus, dass bis Mitte des Jahrhunderts eine vollständige Strombedarfsdeckung mit erneuerbaren Energien möglich ist. Es gibt also keinen Zweifel mehr: Die Zeit ist reif für den Umstieg auf erneuerbare Energien!

Wir Grüne sind davon überzeugt, dass sich die Wachstumsgeschwindigkeiten der erneuerbaren Energien durch den richtigen politischen Rahmen noch beschleunigen lassen. Wir setzen dabei zum einen auf eine Fortschreibung und Optimierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen für die Investitionen in Wind, Sonne & Co. sicherzustellen. Zum anderen müssen wir die Struktur der Stromversorgung grundlegend erneuern und die Forschung für erneuerbare Energien, Netzintegration und Energieeinsparung weiter verstärken.

Bis heute sind die Netze auf relativ wenige, große Grundlastkraftwerke auf Kohle- und Atombasis ausgerichtet, die rund um die Uhr Strom erzeugen. Künftig wird Strom zunehmend erneuerbar und damit dezentral und zum erheblichen Teil in Abhängigkeit vom Wettergeschehen erzeugt werden. Die zeitliche und räumliche Variabilität der Stromerzeugung muss durch leistungsfähige Stromnetze, Stromspeicher und flexible Kraftwerke, die bei Bedarf rasch zu- oder abgeschaltet werden können, aufgefangen werden.

Mit den großen Energiekonzernen ist dieser Umbau nicht zu machen. Wir wollen deshalb die Stromübertragungsnetze in eine unabhängige Netzgesellschaft, mehrheitlich in öffentlicher Hand, überführen und über einen "Masterplan Netzintegration ein "intelligentes" Stromnetz mit optimalen Anschlussbedingungen für erneuerbare Energien schaffen. Dazu gehört auch ein "Europäischer Verbund" über den es möglich ist, Wasserkraft aus den Alpen und Skandinavien, Windstrom von Atlantik und Nordseeküsten sowie Solarstrom aus dem Mittelmeerraum, perspektivisch auch aus Nordafrika, rasch und verlustarm grenzüberschreitend zu transportieren.

In einem solchen Energiesystem ist kein Platz für schwerfällige Kohle- und Atomkraftwerke. Denn bei einem hohen Anteilen von Wind- oder Solarstrom müssten die Kolosse immer wieder heruntergefahren werden, sobald ihr Strom nicht gebraucht wird. Und dafür sind weder Atomkraftwerke noch Kohlekraftwerke geeignet.

Dass Kohle- und Atomkraftwerke nicht zu einer auf erneuerbare Energien ausgelegten Energieversorgung passen, haben auch die Energiekonzerne inzwischen gemerkt und kämpfen deswegen mit harten Bandagen um ihre Marktanteile. E.ON fordert zum Beispiel in England, wo der Konzern neue Atomkraftwerke bauen will, den Windstromanteil auf höchsten 30 Prozent zu begrenzen, um ausreichend Netzkapazitäten für seinen Atomstrom zu erhalten. Auch für Deutschland ist diese Forderung zu erwarten. Damit wäre der Boom der erneuerbaren Energien beendet, das Klima und zehntausende Arbeitsplätze blieben auf der Strecke und Deutschland würde technologisch abgehängt.

Für die radikale, aber realistische Vision von 100 Prozent Erneuerbaren Energien will ich mich zusammen mit meinen FraktionskollegInnen im Bundestag über Gesetzesinitiativen und andere parlamentarische und außerparlamentarische Aktivitäten einsetzen.

Beste Grüße
Andreas Meihsies