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Andrea Lindholz
CSU
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Frage von Heike R. •

Frage an Andrea Lindholz von Heike R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Lindholz,

warum sind unsere Behörden gegen straffälligen Migranten offenbar machtlos?
quelle: https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/rund-9000-menschen-trotz-einreiseverbot-nach-deutschland-zurueckgekehrt-66796408.bild.html
Die USA verschärfen gerade deren Asylrecht (was ich persönlich als sehr verantwortungsvoll gegen die eigene Bevölkerung sehe).
Dazu sollen Delikte wie Alkohol und Drogen am Steuer, die illegale Wiedereinreise in die USA und häusliche Gewalt zählen. Bei Letzterem müsse keine Verurteilung vorliegen.
quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/straffaellige-migranten-usa-wollen-asylrecht-verschaerfen-100.html
Woran scheitert ähnliches bei uns?

Im GG steht eindeutig "Asylrecht genießt nicht, wer aus einem sicheren Drittstaat kommt.“
Quelle: 16a, Absatz 2, Satz 1 Grundgesetz
Warum setzen unsere gewählten Politiker nicht konsequent diesen Artikel des GG durch?

Frau Lindholz, es wird diskutiert, wie die extremen linken (Linke) und rechten Seiten (AFD) unsere Demokratie beschädigen. Hat die CSU schon einmal nachgedacht, dass die Beschädigung durch die s.g. bürgerliche Mitte und deren Auftreten erfolgt, die extremen Ränder eigentlich nur die Profiteure davon sind?

MfG
H. R.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau R.,

als CSU wissen wir sehr wohl, dass die Integrationsfähigkeit Deutschlands begrenzt ist. Wie Sie vermutlich mitbekommen haben, diskutieren wir seit Jahren intensiv über das Asylrecht und entscheiden auch im Sinne unseres migrationspolitischen Grundsatzes "Ordnen-Steuern-Begrenzen". Kein Rechtsgebiet in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren so umfassend reformiert wie das Asylrecht. Zuletzt mit dem umfangreichen Migrationspaket vom Juni 2019, das gerade aufgrund einiger asylrechtlicher Verschärfungen von manchen stark kritisiert wurde. Dennoch bleiben wir bei unserem klaren Kurs. Unsere diversen gesetzgeberischen und operativen Maßnahmen zeigen bereits deutliche Erfolge: Die Asylbewerberzahlen in Deutschland sind massiv zurückgegangen von über 890.000 Asylsuchenden in 2015 auf ca. 165.000 gestellten Asylanträgen im vergangenen Jahr. Dieser Rückgang um über 80 Prozent ist nicht selbstverständlich, wie z.B. die aktuell ansteigenden Asylbewerberzahlen in Frankreich zeigen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und haben auf internationaler, europäischer und auch nationaler Ebene weitere Aufgaben zu bewältigen.

Der von Ihnen verlinkte Artikel bzgl. der Durchsetzung der Einreise- und Aufenthaltsverbote spricht eines der relevanten und noch offenen Themen an. Der sog. "Fall Miri" hat deutlich gezeigt, warum die CSU seit Jahren so vehement effektivere Zurückweisungen bzw. eine konsequentere Durchsetzung der Ausreisepflicht fordert. Fest steht aber auch, dass wir nicht im Alleingang entscheiden können, sondern dazu die Unterstützung unserer Koalitionspartner brauchen. Auf der aktuell stattfindenden Klausurtagung der CSU im Bundestag in Seeon, werden wir erneut bekräftigen, dass bei uns die klare Maßgabe gilt: Wer abgeschoben ist, muss draußen bleiben. Wer gegen ein Einreiseverbot verstößt, muss umgehend in Haft. Dass muss auch für die Dauer der Prüfung eines etwaigen Asylantrags gelten. Dafür wollen wir die gesetzlichen Grundlagen schaffen und fordern die Länder auf, die notwendigen Abschiebehaftplätze bereitzustellen. Das Bundesinnenministerium arbeitet bereits an einem entsprechendem Gesetzentwurf, für den wir allerdings die Unterstützung der SPD benötigen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir auch hier im neuen Jahr zu einem vernünftigen Ergebnis kommen werden und nicht nur bei der Ausreisepflicht, sondern auch beim Einreiseverbot unser geltendes Recht künftig konsequenter durchzusetzen.

Was Ihren Hinweis auf Art. 16a Abs 2 Grundgesetz angeht, so stellt sich die Rechtslage mitnichten so eindeutig dar. Bereits 1996 hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die deutsche Drittstaatsklausel in Art. 16a Abs. 2 GG wörtlich geurteilt: „Diese Regelung tritt gegebenenfalls hinter völkerrechtlichen Vereinbarungen im Sinne von Art. 16a Abs. 5 GG zurück“ (Rn. 164). Weiter heißt es: „Aus dem Asyl-Erfahrungsbericht 1994 des Bundesministeriums des Innern vom 20. Juni 1995 geht hervor, dass die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG seit Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in Bezug auf Asylsuchende [aus den Vertragsstaaten] ‚keine Anwendung mehr‘ findet“ (Rn. 165) Das bedeutet, dass europarechtliche Vorgaben grundsätzlich Vorrang haben vor unseren nationalen Regelungen. Eine Zurückweisung z.B. nach Österreich ist daher nicht ohne weiteres zulässig, da nach den Bestimmungen des Europarechts (Dublin-VO) nur eine Überstellung in den Ersteinreisestaat (z.B. Griechenland oder Italien) zulässig ist. Die bekannten Unzulänglichkeiten des Dublin-Systems verkomplizieren die Rechtslage enorm. Das sog. Dublin-System ist seit Jahren dringend reformbedürftig. Solange sich aber die EU-Staaten nicht auf eine neues verbindliches Asylrecht in der EU einigen können, bleibt sie die bestehende Rechtsgrundlage. Die CSU setzt sich daher seit Jahren auf allen Ebenen für eine grundlegende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ein, die bislang vor allem an den diametral auseinanderliegenden Interessen der Staaten an den Außengrenzen und den Visegrad-Staaten scheitern. Hier endlich substanzielle Fortschritte in Form von tragfähigen Kompromissen zu erzielen wird auch ein Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab Mitte 2020 sein.

Sehr geehrte Frau R., bei allem Verständnis für Ihren Unmut, über die noch zu lösenden migrationspolitischen Fragen, so bitte ich doch die unbestreitbaren Fortschritte zur Kenntnis zu nehmen. Andere EU-Staaten orientieren sich inzwischen an unseren Asylrechtsreformen in Deutschland, die insgesamt einen vernünftigen Ausgleich zwischen Humanität und Ordnung herstellen. Nichtsdestotrotz bleibt Migration in all seinen vielfältigen Facetten natürlich eine Daueraufgabe. Dieses Thema ist viel zu wichtig um es Populisten von links oder rechts zu überlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz MdB
Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat

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