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Nebeneinkünfte lassen sich mit Neu-Regelung weiter verschleiern

Unverändert können Abgeordnete große Teile ihrer Einkünfte von Unternehmen ganz legal verschleiern. Daran ändert auch der Beschluss von Union und FDP nichts, wie wir am Beispiel des Top-Verdieners Heinz Riesenhuber zeigen.

von Martin Reyher, 25.10.2012

 

CDU/CSU und FDP haben heute eine Neu-Regelung zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften beschlossen. Das bisherige 3-Stufen-Modell soll durch ein 10-Stufen-System abgelöst werden.

Erste Berechnungen von abgeordnetenwatch.de zeigen allerdings, dass nach dem neuen System weiterhin große Teile der tatsächlichen Nebeneinkünfte verschleiert werden können. Dies lässt sich am Beispiel des Bundestagsabgeordneten Heinz Riesenhuber verdeutlichen, dessen tatsächliche Einkünfte wir aufwendig aus den Geschäftsberichten der Unternehmen ermittelt haben:

Einkünfte als:Tatsächliche Einkünfte:nach neuem System:
Aufsichtsrats EVOTEC 200922.500€mind. 15.000€
Aufsichtsrats EVOTEC 201025.000€mind. 15.000€
Aufsichtsrats EVOTEC 201120.000€mind. 15.000€
Verwaltungsrat HBM 200965.000€mind. 50.000€
Verwaltungsrat HBM 201065.000€mind. 50.000€
Verwaltungsrat HBM 201171.000€mind. 50.000€
Aufsichtsrat Kabel Deutschland 201030.000€mind. 15.000€
GESAMT298.500€mind. 210.000€

Jedes Stufenmodell lädt aus unserer Sicht zur Verschleierung und Stückelung von Nebeneinkünften ein und fördert das Misstrauen in die Politik. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Daher fordern wir CDU/CSU und FDP auf, ihre Transparenzblockade aufzugeben und den Weg frei zu machen für die komplette und unverzügliche Veröffentlichung der Nebeneinkünfte vom ersten Euro bis auf den letzten Cent. Außerdem appellieren wir an SPD und Grüne, die Komplettveröffentlichung der Nebeneinkünfte in den Landesparlamenten durchzusetzen, in denen es eine rot-grüne Mehrheit gibt, z.B. in NRW oder Baden-Württemberg. Dadurch würde der Druck auf die schwarz-gelbe Koalition erhöht.

Nachtrag: Am Beispiel der Honorarvorträge von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, die dieser heute veröffentlicht hat, zeigt Lobbycontrol weitere Probleme des 10-Stufen-Systems:

1) Regeln für Redneragenturen und Anwälte nötig Der Fall Steinbrück zeigt, wie dringend Regeln für die über Redneragenturen vermittelten Tätigkeiten nötig sind. Um Interessenkonflikte zu erkennen, muss die Öffentlichkeit den genauen Auftraggeber kennen, nicht nur die vermittelnde Agentur. Hier müssen die Regeln dringend nachgebessert werden. Das gleiche gilt auch für Nebentätigkeiten von Anwälten und Unternehmensberatern. Hier sollte angesichts von Verschwiegenheitspflichten zumindest die Branche der einzelnen Kunden offengelegt werden.

2) Neue Stufen sind zu grob Die vorgeschlagenen neuen Stufen sind weiterhin zu grob. Die meisten von Steinbrücks Vorträgen würden in die Stufe 7.000 bis 15.000 Euro fallen. Mit so einer Angabe blieben in Steinbrücks Fall etwa 50% der Einnahmen im Unklaren, da nicht sichtbar ist, dass der Großteil der Vorträge sich mit 15.000 Euro genau am oberen Rand der Stufe befindet.

3) Wirksame Kontrolle und Sanktionen fehlen Die Tatsache, dass zwei Vorträge unbemerkt nicht gemeldet wurden und nun scheinbar folgenlos nachgemeldet werden konnten, wirft die Frage nach einer wirksamen Kontrolle und Sanktionen bei den Veröffentlichungspflichten auf. Die Bundestagsverwaltung behandelt bislang fehlerhafte Meldungen als Lappalie und macht von den Sanktionsmöglichkeiten wie Rüge oder Ordnungsgeldern praktisch keinen Gebrauch.

4) Abgeordnetenmandat muss im Mittelpunkt stehen Die Anzahl der Vorträge und die Höhe der damit erzielten Einkünfte weist darauf hin, dass für Herrn Steinbrück seine Tätigkeit als Abgeordneter offenbar nicht im Mittelpunkt stand, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt. Auch wird deutlich, wie viel Geld insbesondere die Finanzbranche bereit ist, für die Kontakte zu einzelnen Fachpolitikern auszugeben.

5) Steinbrücks Potential für Interessenkonflikte Einzelne Vorträge von Herrn Steinbrück haben ein klares Potential für Interessenkonflikte und werfen die Frage nach besonderen Regeln für ehemalige Regierungsmitglieder auf. Besonders heikel ist der Vortrag bei bei der Anwalzkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, welche zuvor im Jahre 2008 vom Finanzministerium beauftragt wurde, ein Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung auszuarbeiten. Ebenfalls als besonders problematisch sticht die Zahlung von über 7000 Euro für den Geschäftsbericht des Baukonzerns Bilfinger Berger im Jahr 2010 hervor, bei dem Steinbrück sich zum Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) äußerte. Hier ist die genaue Summe weiter unbekannt, da diese Nebentätigkeit als publizistische Tätigkeit nicht in der jetzt vorgelegten Liste der Vorträge enthalten ist. Als Mitglied der ÖPP Deutschland AG hatte Bilfinger Berger maßgeblich durch das Einwirken des Bundesfinanzministeriums profitiert. Das Ministerium stand zum damaligen Zeitpunkt unter der Leitung Steinbrücks.

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