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Ein Vorbild für Deutschland: Wie Kanada die Lobbyisten zu Transparenz zwingt

Lobbyisten in Kanada müssen u.a. ihre Treffen mit Politikern veröffentlichen - bei Verstößen droht Gefängnis. Ein derartiges Transparenzportal sollte es auch in Deutschland geben, auch wenn das kanadische Vorbild noch Lücken aufweist.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 28.01.2016

Lobbyisten in Kanada haben es nicht leicht, unentdeckt ihrer Arbeit nachzugehen. Seit 1989 gibt es das Lobbyist Registration Act, das Interessenvertreter dazu verpflichtet, u.a. folgende Angaben in einem frei zugänglichen Internet-Register zu machen:

  • für wen sie arbeiten
  • mit wem sie sich treffen und wann (in diesem Punkt ist das Gesetz äußerst weit gefasst: Lobbyisten müssen alle Treffen mit "public office holder" melden. Darunter fallen neben Amtsträgern auch Abgeordnete, deren Mitarbeiter, Armeeangehörige, Polizisten)
  • um welches Thema es bei den Treffen geht
  • an welchen Gesetzentwürfen sie mitwirken

Über die Einhaltung des Lobbyisten-Registers wacht eine vom Parlament unabhängige Behörde. Verstöße gegen die Berichtspflicht können mit einer Geldstrafe von 200.000 Kanadischen $ (ca. 130.000 €) oder bis zu 2 Jahren Gefängnis geahndet werden. Bei schweren Fällen kann auch beides verhängt werden.

Durch das öffentliche Lobbyisten-Register, das seit Inkrafttreten stetig erweitert wurde, ist Lobbyismus in Kanada sehr viel transparenter geworden und hat u.a. die Arbeit von Journalisten erleichtert. Zudem gibt das Lobbyisten-Transparenzgesetz den Behörden eine Rechtsgrundlage zur Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung von geheimem Lobbyismus. Und diese wird auch genutzt: allein in British Columbia wurden im Jahr 2014 wegen Verstößen 153 Einhaltungsüberprüfungen abgeschlossen, 18 formelle Untersuchungen durchgeführt und sechs Strafen verhängt.

In Deutschland wollen einige Abgeordnete ein derart striktes Gesetz wie in Kanada unbedingt verhindern. Zuletzt haben Politiker von CDU/CSU gegen ein Lobbyisten-Register mobil gemacht und dabei die Behauptung in die Welt gesetzt, dass dann künftig auch vertrauliche Gespräche zwischen Bürgern und Abgeordneten veröffentlicht werden müssten - welch ein absurder Gedanke!

Lobbyismus ist nicht per se schlecht. Politiker sind auf Experten angewiesen, die sie in oftmals hochkomplexen Sachfragen beraten. Ohne die Expertise von außen könnten Abgeordnete ihre Aufgaben kaum wahrnehmen: sie müssten sich in einen Elfenbeinturm sperren und von dort aus ihre Entscheidungen treffen - also etwas, was ihnen bereits jetzt vorgeworfen wird. Wirklich schädlich für unsere Demokratie ist dagegen der geheime Lobbyismus. Wenn nicht nachvollziehbar ist, wer in wessen Interesse politische Entscheidungen beeinflusst, indem er beispielsweise an Gesetzen mitwirkt, unterhöhlt dies das Vertrauen in den Staat und die Demokratie.

Wahlkampfmanager gab Lobbyisten Tipps, wie sie die Regierung beeinflussen können

Doch auch das kanadische Lobbysten-Register weist Lücken auf. Das zeigte sich erst kürzlich im sogenannten "Fall Gagnier". Vier Tage vor den kanadischen Wahlen im vergangenen Oktober wurden E-Mails veröffentlicht, die Dan Gagnier, ein Wahlkampfmanager des heutigen Premierministers Justin Trudeau, an den Energiemulti TransCanada Corp geschickt hatte. TransCanada will eine kontrovers diskutierte 3000km lange Pipeline durch Kanada bauen. Um die Diskussionen und den Bau der Pipeline zu beschleunigen, schickte Gagnier eine detaillierte Mail an TransCanada, mit Anweisungen und Tipps, wie man die künftige Regierung am besten beeinflusst - inklusive der Information, wen man wann umwerben müsse. Als die internen Schreiben den Weg an die Öffentlichkeit fanden, verteidigten sich die Liberalen damit, dass ihr Wahlkampfmanager keine Regeln gebrochen habe - und sie hatten mit dieser Behauptung sogar vollkommen recht.

Denn Kanadas Transparenzgesetze beziehen sich auf von Unternehmen, Verbänden und Organisationen bezahlte Lobbyisten und nicht auf jemanden, der Lobbyisten Ratschläge gibt, wie sie am besten eine Regierung beeinflussen. Um den Schaden für die Partei zu begrenzen, trat Gagnier kurz vor der Wahl zurück.

Wie bei allen Gesetzen steckt auch beim kanadischen Transparenzgesetz der Teufel im Detail. Ein Gesetz, das eine derart wandelbare Szene wie die der Lobbyisten bändigt, muss regelmäßig den neuen Gegebenheiten angepasst werden, und leider braucht es meist ein Negativbeispiel, um Veränderungen anzustoßen. Auch wenn im Fall des kanadischen Wahlkampfmanagers Gagnier gegen keine Gesetze verstoßen wurde, war dessen Verhalten schädlich für die Demokratie. Das Büro des Lobby-Beauftragten hat bereits die Ermittlungen aufgenommen, die möglicherweise in einer Gesetzesverschärfung enden.

Wenn es ein Land wie Kanada schafft, ein striktes Lobbyisten-Transparenzgesetz einzuführen und dieses immer wieder den neuen Gegebenheiten anzupassen - warum sollte es dann nicht möglich sein, ein solches Gesetz auch in Deutschland zu verabschieden? 

Jakob Zeijl

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