Auf der Suche nach den politischen Netzwerken der Lobbyagenturen

Lobbyagenturen werben mit "exzellenten Netzwerken" und tragen hinter den Kulissen die Anliegen ihrer Kunden in die Politik. Doch mit welchen Politikern stehen sie in Kontakt und für welche Auftraggeber arbeiten sie? Auf Nachfrage reagieren einige gereizt, andere schweigen. Nur eine Agentur nennt Namen – ausgerechnet die eines ehemaligen Spitzenpolitikers.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 24.03.2016

Die einen setzen auf Kontakte zu Entscheidungsträgern "auf höchster politischer Ebene“, andere auf einen "Expertenpool von ca. 50 ehemaligen hochrangigen Entscheidern". Für PR- und Lobbyagenturen wie Alber & Geiger oder Concilius ist ein großes Netzwerk die Basis dafür, um die Anliegen ihrer zahlungskräftigen Kunden in die Politik zu tragen.

90 dieser Agenturen sollen laut Transparency International in Berlin tätig sein und rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. Bis vor kurzem war nicht einmal bekannt, welche Lobbydienstleister und Kontaktanbahner im Bundestag ungehindert ein und aus gehen. Erst infolge einer abgeordnetenwatch.de-Klage wurden die Namen von 1.103 Interessenvertretern öffentlich, die über die Fraktionen einen Hausausweis zum Parlament erhalten hatten - darunter mehr als zwei Dutzend Lobby- und Kommunikationsagenturen.

"...nicht aber für eine Organisation wie die Ihre"

Doch noch immer ist unklar, in wessen Auftrag die Agenturen arbeiten und welche Politiker Teil ihres "exzellenten Netzwerks" (BSS AG) sind. Auf ihren hoch professionell gestalteten Webseiten findet sich  - wenn überhaupt - nur die Angabe, dass man Referenzen zu ehemaligen Kunden auf Anfrage zur Verfügung stelle.

Wir haben 28 Lobby- und PR-Agenturen, die bislang über einen Bundestagshausausweis verfügt haben, danach gefragt, ob sie uns Referenzkunden und die Namen von Politikern nennen, mit denen sie in regelmäßigem Kontakt stehen. Die Reaktionen der Agenturen zeigen: freiwillige Transparenz ist nicht zu erwarten. Von den 28 angeschriebenen Agenturen antworteten acht per Mail, eine meldete sich telefonisch. Der Tenor der Antworten lautete: Wir wollen oder können keine Namen nennen.

Einige Beispiele:

  • "Das Angebot auf meiner website, Referenzen zu nennen, ist ausschließlich für potentielle Klienten gedacht, nicht aber für eine Organisation wie die Ihre. Ich unterliege im übrigen auch nicht dem Informationsfreiheitsgesetz und seinen Auskunftspflichten.(…) Ich gedenke nicht, Ihnen die Namen von Politikern zu nennen, mit denen ich in Kontakt stehe." (Polikomm)
  • "Ihre Anfrage, die augenscheinlich darauf abzielt, im Fahrwasser der Debatte um Hausausweise ein eigenes Lobbyregister zu erstellen, kann eine Reihe der oben genannten wichtigen Bedingungen nicht erfüllen. So ist sie offenbar nicht umfassend an alle Akteure gestellt, sondern deckt lediglich einen Ausschnitt der Branche ab. [...]  Insofern verstehen Sie sicherlich, dass wir an unseren Forderungen gegenüber der Politik festhalten und keine Scheinlösungen auf der Basis einer freiwilligen Befragung unterstützen wollen." (Bernstein Group und Pathways Public Health)
  • "Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Anfrage nicht beantworten können. Informationen zu Hering Schuppener und unseren Beratern finden Sie auf unserer Website, zu einzelnen Mandaten nehmen wir grundsätzlich nicht öffentlich Stellung. Ich bitte um Verständnis." (HERING SCHUPPENER Consulting)

Hier finden Sie unsere Anfrage und die Reaktionen der angeschriebenen Agenturen (pdf)

Mehrere der Antworten enthielten den Hinweis, dass man Angaben nur im Rahmen eines verpflichtenden Lobbyisten-Registers machen würde - doch ein solches existiert derzeit nicht. Weitreichende Transparenzangaben in einem öffentlichen Register sind in der Branche allerdings wenig beliebt. Eine Umfrage der PR-Agentur MSL Germany kam 2014 zu dem Ergebnis, dass gerade einmal 19 Prozent der befragten Public Affairs-Verantwortlichen ein verpflichtendes Lobbyisten-Register mit umfassenden Angaben zu Budgets, Personalstärke, Zielen, Dienstleistern u.a. befürwortet. Die übergroße Mehrheit (65 Prozent) will lediglich ihren Namen in einem Register eintragen, aber keine weiteren Angaben machen. 15 Prozent will nicht einmal dies.

Nur eine der von uns angefragten Agenturen hatte weniger Probleme mit Transparenz - ausgerechnet die eines ehemaligen Spitzenpolitikers: Ole von Beust, früherer Erster Bürgermeister von Hamburg, bietet inzwischen mit einer Consultingagentur "maßgeschneiderte, individuelle Strategie- und Kommunikationsberatung für Unternehmen und Verbände [an], die den Austausch mit politischen Entscheidungsträgern auf- und ausbauen möchten".

"Auf europäischer Ebene besteht Kontakt zu G. Oettinger"

Man vertrete u.a. die Maritime LNG Plattform, teilte die Ole von Beust Consulting (OVBC) gegenüber abgeordnetenwatch.de mit. Dahinter stehen rund 80 Unternehmen wie Shell, MAN und Gazprom, die sich für den verstärkten Einsatz von Flüssiggas in der Schiffart einsetzen. Im Zuge dieses Mandates bestehe "ein reger Austausch" mit dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), Unterabteilungsleiter Achim Wehrmann, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Uwe Beckmeyer (SPD) sowie den Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg (CDU), Birgit Malecha-Rissen (SPD), Rüdiger Kruse (CDU), Valerie Wilms (Grüne), Johann Saathoff (SPD), Phillip Murmann (CDU) und Herbert Behrens (Linke).

Ein weiterer Kunde sei der Deutsche Lotto und Totoblock. Hier koordiniere seine Agentur gemeinsam mit dem Hauptstadtbüro des Deutschen Lotto und Totoblocks die politische Kommunikation, so OVBC-Geschäftsführer Georg Ehrmann. "Auf europäischer Ebene besteht Kontakt zu G. Oettinger."

Dass lediglich eine von 28 angeschriebenen Agenturen zu Transparenzangaben bereit ist (die vermutlich auch nicht einmal vollständig sind), zeigt: Ohne gesetzliche Regelungen wird es keine Transparenz bei Lobby- und PR-Agenturen geben. abgeordnetenwatch.de fordert daher die Einführung eines weitreichenden und verpflichtenden Lobbyisten-Registers, in dem Interessenvertreter u.a. veröffentlichen müssen

  • in wessen Auftrag sie tätig sind
  • mit welchen Politikern sie sich zu welchen Themen treffen
  • an welchen Gesetzentwürfen sie mitwirken
  • wie hoch ihr Lobbybudget ist.

Zeichnen Sie hier unsere Petition "Geheimen Lobbyismus stoppen - Lobbyisten-Register einführen". 101.951 Menschen haben bereits unterzeichnet.

Simon Hoyme

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Mehr Transparenz ermöglichen

Sie wünschen sich mehr Transparenz in der Politik und möchten weitere abgeordnetenwatch-Recherchen ermöglichen? Dann unterstützen Sie unsere Arbeit - bereits ab 5 Euro im Monat!