Wahlkampf beim Speed-Dating und im Seniorenheim: abgeordnetenwatch.de unterwegs mit zwei Kandidaten

Kugelschreiber verteilen im Seniorenheim und Speed-Dating mit Schülern: Kurz vor der Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag werben die Kandidierenden noch einmal intensiv um die Stimmen der Bremerinnen und Bremer. abgeordnetenwatch.de hat zwei Politiker einen Tag lang begleitet.

von Gast / gelöscht, 05.05.2015

Von Nicki Koch

Rainer Benschs Stimme überschlägt sich fast, als die alte Dame um die Ecke kommt. „Unglaublich!“ findet er die Begegnung, doch die Frau scheint ihn zunächst nicht zuordnen zu können. Nur seinen Hund kennt sie noch. „Aya“ heißt der. Rainer Bensch hilft ihr auch bei seinem Namen auf die Sprünge. Er sei der örtliche Abgeordnete von der CDU. Das stößt bei der Frau zunächst nicht gerade auf Begeisterung. „Politiker? Die vergessen uns Bürger doch eh, sobald sie erstmal im Selbstbedienungsladen sind,“ sagt sie.

Unterwegs im Bremer Wahlkampf mit dem CDU-Kandidaten Rainer Bensch. Bensch stimmt der Dame zu, selbst er als Politiker könne sie verstehen. Aber natürlich dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren. Er selbst sei ein „Kümmerer“ und gebe alles in der Bremischen Bürgerschaft für Bremen-Nord. Rainer Bensch, ein gelernter Diplom-Pflegewirt, kommt aus Rönnebeck-Farge, hier ist es schön ruhig und grün, hier gibt es ein Pflegeheim, das er heute besucht. Es sind noch gut eineinhalb Wochen bis zur Bürgerschaftswahl im Stadtstaat.

Am 10. Mai 2015 möchte Bensch wieder ins Parlament einziehen, er hatte bei den letzten Wahlen 2011 eines der besten Personenergebnisse in ganz Bremen erzielt und war dank des personalisierten Wahlrechts in die Bürgerschaft eingezogen.

Beim Speed-Dating mit Schülerinnen und Schülern

Auch an der St. Johannis-Schule in der Bremer Innenstadt kämpfen Kandidaten um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger. Es gibt ein sogenanntes Speed-Dating. Die Schülerinnen und Schüler gehen von Raum zu Raum, wo sie mit Politikern verschiedener Parteien ins Gespräch kommen sollen. Anschließend wird von der Schülerschaft gewählt.  Für die Grünen ist Matthias Güldner gekommen. Er ist Fraktionsvorsitzender der Grünen seit 2007 und kandidiert auf Listenplatz 2.

Güldner stellt sich den Fragen der Schüler aufmerksam, er beantwortet sie gerne, ihm mache so eine Veranstaltung Spaß. Auch wenn sich nicht alle Schüler trauen, Fragen zu formulieren, ist ihm dieser direkte Kontakt wichtiger als der virtuelle. Schließlich würden im direkten Gespräch noch andere Botschaften über Gestik und Mimik gesendet, als im Internet.

Nach der Schulveranstaltung geht es für Güldner weiter ins Büro. Der nächste Termin muss vorbereitet werden. Am späten Nachmittag findet im Bremer Dom die Veranstaltung „Macht Bunt. Angst?“ statt. Kommen werden Jens Motschmann, Ex-Pastor und Ehemann der CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann, sowie Edda Bosse, Präsidentin der evangelischen Kirche in Bremen und Kathrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Matthias Güldner soll die Begrüßungsrede halten. Dafür macht er sich nun in seinem Büro Notizen. Alles sehr kurzfristig, manchmal findet er auch gar keine Zeit zur Vorbereitung, im Wahlkampf ist eben alles eng getaktet.

CDU-Kandidat Rainer Bensch gibt sich bürgernah, will auf die Leute zugehen. Am Wahlsonntag bietet er ein Wahltaxi an. Die älteren Leute, die nicht mehr mobil sind, können ihn anrufen, dann fährt er sie zum Wahllokal. Auch online ist Rainer Bensch sehr aktiv. Er glaubt zwar, dass der persönliche Kontakt zu den Bürgern und Wählern unersetzlich sei, aber dennoch bietet das Internet viele Möglichkeiten, beispielsweise zum Erstkontakt. Auf Facebook chattet er mit vielen Leuten, kommuniziert und kommentiert unter seinen und anderen Posts. Inzwischen hat er schon mit einer Frau telefoniert, mit der er über Facebook in Kontakt gekommen ist, bald möchte er sie persönlich kennenlernen.

Bensch ist auf abgeordnetenwatch.de sehr gefragt, er ist ganz vorne mit dabei, wenn es um Anzahl der Fragen und Antworten auf dem Portal geht. Bensch glaubt, dass es sehr wichtig sei, dass jemand kritisch auf das politische Geschehen blickt. Die Leute wollen schließlich wissen, was mit ihrem Steuergeld passiert, Stichwort Transparenz. Warum die Bundestagsfraktion der CDU nicht alle Parteispenden öffentlich machen will, kann er nicht verstehen.

Statt um Politik geht es um Alltägliches, z.B. den Hund

Im Pflegeheim hat Bensch mal als Schüler gearbeitet, das betont er immer wieder in den Gesprächen mit den Bewohnern. Er kennt hier jeden, sagt er und unterbricht Gespräche immer wieder um Neuankömmlinge zu begrüßen. „Die ungeplanten Gespräche sind die besten,“ erzählt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete. Er unterhält sich dabei kaum über Politik, es geht eher mal um seinen Hund oder andere alltägliche Dinge. Bensch kommt ins Gespräch mit einem alten Mann, der seit 23 Jahren in der Einrichtung wohnt. Er erzählt von den Problemen, die es gibt, seine Frau sitzt im Rollstuhl und kommt nicht gut durch die Tür. Bensch hört ihm aufmerksam zu und gibt ihm einen Kugelschreiber mit seinem Namen. Einen Brief gibt es auch, per Hand beschriftet „von Rainer Bensch persönlich“. Die Leute werfen das Meiste sowieso weg, sein Brief soll jedoch das Interesse wecken.

Beim Werben um Stimmen setzen beide Kandidaten auch auf das Internet

Auch Grünen-Kandidat Güldner ist auf abgeordnetenwatch.de aktiv. In einem Video auf seiner Website erklärt er Wege zu mehr Bürgerbeteiligung, er ist auch Mitglied bei Transparency International. Im Gegensatz zu Rainer Bensch sieht er manche sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter jedoch kritisch. Er moniert, dass es dort nur selten um Inhalte geht, oft nur ein Foto vom Essen oder einer Freizeitaktivität gepostet wird. Dafür hat Güldner zuletzt das Portal reddit.com für sich entdeckt. Auch wenn dieses optisch ausbaufähig sei, finde dort ein interessanter Dialog ohne viel Schnickschnack statt. Seit er sich bei reddit.com angemeldet hat, sind schon über hundert Fragen an ihn herangetragen worden. Auch eine eigene Website betreibt Güldner, auf der er bloggt und zeitweise Videos postet. Er glaubt, dass Online-Aktivität wichtig ist, um damit Leute zu erreichen, die sich ausschließlich im Internet informieren.

Auf Facebook sei er mehr als nur ein Politiker sagt Rainer Bensch, dort sei er vor allem auch Fußballfan und Hundeliebhaber. Auch über Möglichkeiten im Internet möchte Bensch Stimmen generieren, egal aus welcher Zielgruppe. Schließlich bietet das personalisierte Wahlrecht gute Chancen, wenn man als Kandidat präsent ist. Das findet Bensch klasse. Dieses Mal tritt er von Listenplatz 11 an. Sein Ziel jedoch ist ehrgeizig. Er möchte eines der fünf besten Personenstimmenergebnisse erreichen.

Ginge es nach den Schülern der St. Johannis Schule, wäre die Regierung in Bremen wohl Grün-Rot. Matthias Güldners Grüne kommen nach der Auszählung auf 29%, gefolgt von der SPD mit 20%. Die CDU bringt es auf 12%. Rainer Bensch hat hier aber auch keine Briefe verteilt.

Wen wählen? Der Kandidaten-Check von abgeordnetenwatch.de zur Bürgerschaftswahl hilft.

Befragen Sie hier alle Kandidierenden zur Bremen-Wahl.
 

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