Vom unmoralischen Angebot einer PR-Agentur (Update)

von Martin Reyher, 09.02.2011

Wir erhalten des öfteren fehlgeleitete eMails, in der Regel aus Abgeordnetenbüros. Ein falscher Mausklick, und schon landen Arbeitsanweisungen von Abgeordneten an ihre Mitarbeiter, allgemeiner Büroplausch übers Wetter oder Lästereien in unserem Posteingang. Wir informieren die Absender dann über ihren Fauxpas und löschen die Mail. Gestern Abend kam erneut Post dieser Art.

Da es bei uns keinen Dr. Wenzel gibt und sich außerdem herumgesprochen haben dürfte, dass abgeordnetenwatch.de als überparteiliches Portal die falsche Adresse für derlei Anfragen ist, schien die Sache eigentlich klar: Hier hatte wieder jemand auf den falschen Button geklickt. Deswegen antworteten wir umgehend:

Wenig später meldet sich der Herr von der PR-Agentur ein weiteres Mal:

Das überraschte uns dann allerdings doch. Eine PR-Agentur fragt im Namen einer Partei – der FDP – bei abgeordnetenwatch.de an, ob wir zu einem Blogeintrag oder einem Interview über die „außergewöhnliche Strategie und Kampagne“ der Liberalen bereit wären. Wenn die PR-Leute darauf tatsächlich ein Ja erwartetet haben sollten, waren sie entweder schlecht über abgeordnetenwatch.de informiert oder naiv. Wir schrieben also zurück:

Wer nun der ominöse Dr. Wenzel ist, bleibt bis auf Weiteres ungeklärt, denn der Herr von der PR-Agentur meldete sich nicht mehr. Laut Homepage der PR-Agentur (Eigenwerbung: "Von unseren Leistungen können Sie hohe Qualität und Professionalität zum günstigen Preis erwarten") war es der Inhaber persönlich, der abgeordnetenwatch.de in die Wahlkampf-PR der FDP einspannen wollte. Ein Anfängerfehler als Erklärung scheidet aus, denn er verfüge über mehrjährige Berufserfahrung bei einer großen PR-Agentur, lässt der FDP-Berater auf der Website seines Unternehmens wissen, bevor er sich schließlich selbständig machte. Schon während seines Studiums lernte der heutige Agentur-Chef, wie man einer Sache den richtigen Spin gibt: U.a. arbeitete er für BILD und das Bundespresseamt. Für die Zeit des Bürgerschaftswahlkampfes hat der PR-Fachmann seinen Schreibtisch offenbar von einem Hamburger Außenbezirk, wo die Agentur ihren Sitz hat, in die Innenstadt verlegt. Denn die Mail-Signatur weist folgende Arbeitsstätte auf:

Nachtrag von 23:10 Uhr: Fred Fuchs weist in den Kommentaren darauf hin, dass es sich bei dem PR-Berater um einen FDP-Kreisvorsitzenden handelt. Diesem ist abgeordnetenwatch.de übrigens nicht unbekannt: Zur Bürgerschaftswahl 2008 kandidierte er für die Liberalen sowohl auf der Wahlkreis- als auch auf der Landesliste. Von zwei Bürgerfragen beantwortete er seinerzeit eine.

Nachtrag vom 14.2.2011: "McSpotnik" weist in den Kommentaren auf einen Artikel bei Heise online mit der Überschrift "FDP Hamburg kassiert im Viralwahlkampf eine Abmahnung" hin. Zitat:

Mit viralem Marketing wollte die Hamburger FDP im laufenden Bürgerschafts-Wahlkampf bei der Generation 2.0 punkten. Doch die Kampagne ging nach hinten los: Blogger werfen der mit der Durchführung beauftragten Agentur Spammer-Methoden vor, der Hamburger IT-Unternehmer Hanno Zulla hat die Partei erfolgreich abgemahnt.

Nachtrag vom 17.2.2011: Der FDP-Direktkandidat im Wahlkreis Rotherbaum - Harvesthude - Eimsbüttel-Ost, Jens P. Meyer, distanziert sich in den Kommentaren von dem Vorgehen des FDP-Kampagnenleiters. Meyer schreibt:

Ich kandidiere für die FDP im Wahlkreis-05, weil ich liberale Politik bürgernah umsetzen möchte und bin entsetzt über das, was ich hier lese. Ich distanziere mich von diesem Unsinn, der dort scheinbar von irgendwelchen unqualifizierten Personen im Namen der FDP verzapft wird und entschuldige mich vorsorglich dafür, ohne die Hintergründe näher zu kennen. Die FDP ist eine offene Partei, die grundsätzlich jeden liberalen Menschen gerne aufnimmt. Blindgänger gibt es leider überall, so auch in der FDP.

Auf telefonische Nachfrage von abgeordnetenwatch.de bestätigte Meyer die Authentizität des Kommentars.

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