Abgeordnete kassieren mindestens 18 Mio. Euro nebenher – Millionenbeträge bleiben im Dunkeln

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Jeder vierte Bundestagsabgeordnete hat neben seinen Diäten weitere Einkünfte. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de am Dienstag unter Berufung auf die Selbstauskünfte der Volksvertreter auf der Parlamentswebseite. Danach haben 162 der 630 Volksvertreter seit der Bundestagswahl mindestens einen Zusatzverdienst ausgewiesen.


Gesamthöhe der Nebeneinkünfte:

Insgesamt kassierten die Parlamentarier in der laufenden Legislaturperiode mindestens 18,0 Millionen Euro nebenher, tatsächlich könnten sogar bis zu 33,6 Mio. Euro geflossen sein. Der Grund für den riesigen Graubereich liegt in den intransparenten Veröffentlichungsregeln des Bundestages: Abgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte nicht in Euro und Cent angeben, sondern in einem zehnstufigen System. So steht die Einkommensststufe 5 beispielsweise für einen Betrag zwischen 30.000 und 50.000 Euro.

"Dass viele Millionen Euro im Dunkeln bleiben ist nicht hinnehmbar. Die Abgeordneten müssen endlich sämtliche Nebeneinkünfte offenlegen, und zwar vom ersten Euro bis zum letzten Cent", forderte abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack.

Sechs Parlamentarier wiesen sogar Zusatzeinkünfte der Höchststufe 10 (über 250.000 Euro) aus, die nach oben unbegrenzt ist. Ob ein Abgeordneter 250.001 Euro, 1 Million Euro oder sogar mehr erhält, ist nicht ersichtlich. Von daher ist der Graubereich bei den Nebeneinkünften aller Volksvertreter sogar noch höher als die von abgeordnetenwatch.de ermittelten 15,6 Mio. Euro.


Jeder zweite CSU-Abgeordnete mit Nebeneinkünften

Von den CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag hat fast jeder zweite eine bezahlte Nebentätigkeit (27 von 56 Parlamentarier). Bei der CDU sind es 29 Prozent (74 von 255), bei der SPD 21 Prozent (41 von 193), bei den Grünen 17,5 Prozent (11 von 63) und bei der Linkspartei 14 Prozent (9 von 64).


Abgeordnete mit den höchsten Nebeneinkünften:

Die drei höchsten Nebeneinkünfte meldeten laut abgeordnetenwatch.de die Landwirte Philipp Graf Lerchenfeld, CSU (mindestens 1.729.500 €), Johannes Röring, CDU (mindestens 1.321.500 €) und Albert Stegemann, CDU (mindestens 1.206.000 €). Bei den Beträgen handelt es sich um Umsätze, von denen Freiberufler wie Landwirte unter Umständen Mitarbeitergehälter oder Maschinen bezahlen müssen.

Hohe Einkünfte verzeichnete außerdem der CDU-Politiker Stephan Harbarth, der als Partner und als Vorstandsmitglied einer Anwaltskanzlei mindestens 1.025.000 € kassierte. Der Unternehmer Hans Michelbach (CSU) meldete Zusatzeinkünfte von mindestens 750.000 Euro. Seine Parteikollegin Dagmar Wöhrl kam seit der Bundestagswahl auf mindestens 623.000 €. Sie sitzt u.a. in mehreren Aufsichtsräten einer Versicherungsgruppe sowie im Verwaltungsrat einer Schweizer Privatbank.

In der Liste mit den höchsten Einkünfte folgt auf dem siebten Rang und als erster SPD-Abgeordneter der frühere Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Für Vorträge und als Autor hat Steinbrück in der laufenden Legislaturperiode mindestens 590.500 Euro an Honoraren kassiert.

"Dass einzelne Abgeordnete mit ihrem Nebenjob unter Umständen mehr als die Bundeskanzlerin verdienen, ist skandalös. Wir müssen jetzt darüber diskutieren, ob Nebeneinkünfte nicht komplett verboten gehören," so abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack.


Mehr als 3,3 Mio. Euro stammen aus anonymen Quellen

Bei Freiberuflern und Selbständigen wie Landwirten, Rechtsanwälten oder Unternehmensberatern ist nicht einmal bekannt, woher die Einkünfte stammen. Alle Vertragspartner oder Mandanten, die sie auf der Parlamentshomepage aufführen müssen, bleiben nach den derzeitigen Veröffentlichungsregeln namenlos – es reicht, Geschäftskontakte numerisch aufzuzählen. Nach Angaben von abgeordnetenwatch.de stammen mindestens 3,3 Millionen Euro aus anonymen Quellen. Nur einzelne Abgeordnete wie die Landwirte Philipp Graf Lerchenfeld und Albert Stegemann legen freiwillig offen, wer ihre Geschäftspartner sind.

"Wenn unsere Volksvertreter mehrere Millionen Euro von unbekannten Geldgebern kassieren, ist dies ein Einfallstor für Lobbyisten", so Gregor Hackmack. "In einer Demokratie müssen Bürgerinnen und Bürger wissen, von wem ihre Repräsentanten Geld annehmen."


Petition gegen Verschleierung von Nebeneinkünften gestartet -

abgeordnetenwatch.de fordert Konsequenzen und hat deswegen die Petition "Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!" gestartet. Darin werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, strikte Transparenzregeln zu beschließen. Die Initiative verlangt die Offenlegung aller Nebeneinkünfte auf Euro und Cent sowie die namentliche Nennung aller Geldgeber. Nur so lassen sich finanzielle Abhängigkeiten und mögliche Interessenkonflikte offenlegen und kritisch hinterfragen.

Weitreichende Transparenzpflichten wie von abgeordnetenwatch.de gefordert gelten beispielsweise in Großbritannien. "Britische Unterhausabgeordnete müssen ihre kompletten Einkünfte, sämtliche Geschäftspartner und sogar den zeitlichen Aufwand ihrer Nebentätigkeiten offenlegen. Es gibt keinen Grund, warum diese Transparenzpflichten nicht auch für Bundestagsabgeordnete gelten sollen," so Gregor Hackmack (Beispiel für die Anzeigepflichten im britischen Unterhaus).


Link zum Ranking mit allen Nebeneinkünften:

Eine Liste mit Nebeneinkünften aller Bundestagsabgeordneter und weitere Hintergründe finden Sie im abgeordnetenwatch.de-Rechercheblog unter:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/nebeneinkuenfte2016