Volkswagen, E.ON, DHL: So viel zahlen Lobbyisten für Werbung in Parteizeitungen

Über das so genannte Politsponsoring kassieren viele Parteien Millionensummen, doch deren genaue Herkunft ist oftmals nicht oder nur schwer nachvollziehbar. abgeordnetenwatch.de-Recherchen zeigen nun, wie viel Unternehmen und Verbände für Werbeanzeigen in Parteizeitungen zahlen. In einigen Fällen ist ihnen die Präsenz in einem Mitgliedermagazin sogar mehr wert als eine Anzeige im SPIEGEL.

von Marthe Ruddat, 12.04.2017

Beim Durchblättern von Parteizeitungen lässt sich mitunter der Eindruck gewinnen, man halte ein Werbemagazin in den Händen. Unternehmen und Verbände wie Volkswagen, E.ON oder die Deutsche Automatenwirtschaft werben bei Parteifunktionären und -mitgliedern für ihre Anliegen. Und das lassen sie sich einiges kosten, wie abgeordnetenwatch.de-Recherchen zeigen. Die teuerste Anzeige in der SPD-Mitgliederzeitung vorwärts kostet zum Beispiel rund 20.000 Euro netto. In der FDP-Zeitung fdplus sind es 10.000 Euro netto.

Wie teuer die Inserate tatsächlich sind, zeigt ein Vergleich mit dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: Um dort mit einer ganzseitigen Anzeige 1.000 Menschen zu erreichen (sog. "Sichtkontakte"), zahlen Werbekunden beim SPIEGEL ca. 76 Euro. Im Mitgliedermagazin der FDP liegt der Preis für eine Seite bei ca. 133 Euro pro 1.000 Exemplare, im CSU-Magazin Bayernkurier sogar bei 186 Euro. (Bezogen auf die Gesamtauflage ist der Preis für eine SPIEGEL-Anzeige selbstverständlich deutlich höher als in den Parteizeitungen.)

Beträchtliche Einnahmen durch Anzeigenverkauf

Meist wird die Anzeigenverwaltung über einen Verlag oder eine Agentur abgewickelt, so dass die Einnahmen nicht 1:1 in der Parteikasse landen. Für den Vorwärts etwa vertreibt die SPD-Tochter Network Media GmbH, die maßgeblich an der #Rent-a-Sozi-Affäre beteiligt war, die Annoncen. Bei den Grünen ist es die Berliner Werbeagentur Runze & Casper, bei der CSU der parteieigene Verlag Bayernkurier.

Die Parteien stellen die Werbefläche in ihren Magazinen gerne zur Verfügung, denn für sie sind die Einnahmen durch Anzeigen gleich in zweifacher Hinsicht attraktiv: Zum einen nehmen sie auf diesem Wege zum Teil beträchtliche Summen ein. Zum anderen müssen sie keine detaillierte Rechenschaft über die Herkunft der Mittel ablegen. Das wiederum macht die Anzeigen attraktiv für Unternehmen und Verbände: Anders als bei Parteispenden wird bei Werbeinseraten nicht auf einen Blick sichtbar, wie hoch die Beträge sind, die sie einer Partei zukommen lassen. Außerdem können Unternehmen und Verbände ihre Werbeausgaben von der Steuer absetzen, Parteispenden dagegen nicht. (Gleiches gilt übrigens auch für Standmieten auf Parteitagen, über deren Höhe abgeordnetenwatch.de kürzlich hier berichtet hat.)

Wer sind also die Unternehmen und Verbände, die Anzeigen in Parteizeitungen schalten - und wie viel sind sie bereit, dafür zu zahlen? Ein Überblick:


vorwärts (SPD, Zeitung der deutschen Sozialdemokratie / Mitgliederzeitung)

  • geschätzte Werbeeinnahmen aktuelle Ausgabe März/April 2017: ca. 65.400 €* (Preisliste)
  • Anzeigenkunden: EnBW, Volkswagen, die Sparkassen und das Institut für Wärme und Öltechnik
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 18.000 € zzgl. MwSt., Sonderpreise gelten für die zweite und die vierte Umschlagseite (18.900 € bzw. 19.500 € zzgl. MwSt.)
  • Erscheinungsweise: sechsmal jährlich


UNION Magazin (CDU, Mitgliedermagazin)

  • geschätzte Werbeeinnahmen Ausgabe Dezember 2016: ca. 81.000 €* (Preisliste)
  • Anzeigenkunden: u.a. Volkswagen, Sanofi, Progas, die Deutsche Automatenwirtschaft, Tank&Rast
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 9.000 € (Mediadaten werden aktuell überarbeitet)
  • Erscheinungsweise: viermal jährlich


Bayernkurier (Politik-Magazin, herausgegeben von der CSU)

  • geschätzte Werbeeinnahmen Ausgabe 06/2016: ca. 81.000 €* (Preisliste)
  • Anzeigenkunden: u.a. E.ON, die Deutsche Automatenwirtschaft, Volksbanken Raiffeisenbanken und DHL
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 9.300 € zzgl. MwSt., Sonderpreise gelten für die zweite, dritte und vierte Umschlagseite (10.974 € zzgl. MwSt.)
  • Erscheinungsweise: monatlich
  • Im Unterschied zu reinen Mitgliedermagazinen bekommen CSU-Mitglieder den Bayernkurier nicht automatisch, sie erhalten aber einen Rabatt auf ein Abonnement.


Das Magazin der Grünen (Die Grünen, Mitgliederzeitschrift)

  • geschätzte Werbeeinnahmen Ausgabe 01/2017: ca. 6.000 € * (Preisliste)
  • Anzeigenkunden: Verband der Privaten Krankenversicherung, Heinrich-Böll-Stiftung (erhält als parteinahe Stiftung einen Rabatt von 30%)
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 5.000 € zzgl. MwSt., Sonderpreise gelten für die zweite und vierte Umschlagseite (5.200 € bzw. 5.400 € zzgl. MwSt.)
  • Erscheinungsweise: viermal jährlich


fdplus (Mitgliedermagazin der FDP)

  • geschätzte Werbeeinnahmen Ausgabe 01/2017: ca. 16.400 €* (Preisliste)
  • Anzeigenkunden: Verband der Privaten Krankenversicherung, Friedrich-Naumann-Stiftung (laut FDP keine Sonderkonditionen als parteinahe Stiftung)
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 10.000 € zzgl. MwSt.
  • Erscheinungsweise: ca. viermal jährlich


DISPUT (Mitgliederzeitschrift Die Linke)

  • geschätzte Werbeeinnahmen Ausgabe 03/2017: ca. 700 € * (Preisliste)
  • Anzeigenkunde: Neues Deutschland (dessen Miteigentürmer die Linkspartei ist)
  • Eine ganzseitige Farbanzeige kostet 1.000 € zzgl. MwSt.
  • Erscheinungsweise: monatlich


AfD Kompakt (AfD, Mitgliedermagazin)

  • Auf mehrfache Mailanfrage von abgeordnetenwatch.de zu ihren Anzeigenpreisen reagierte die Redaktion von AfD Kompakt nicht.


* Die Werbeeinnahmen wurden berechnet auf Grundlage der aktuellen Anzeigen-Grundpreise. Evtl. Rabatte oder andere Sonderkonditionen wurden nicht berücksichtigt.


Die oben genannten Zeitungen und Magazine sind bei Weitem nicht die einzigen Publikationen, die den Parteien Werbeeinnahmen bescheren. So gibt die SPD beispielsweise auch die Zeitschrift DEMO- Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik heraus, die gegenüber  potentiellen Werbekunden wie folgt angepriesen wird:

Die DEMO ist ein optimaler Werbeträger, um mit den Entscheidungsträgern in den Kommunen ins Gespräch zu kommen. Ihre Produkte und Dienstleistungen finden so schnell ihren Weg in Städte, Gemeinden und Landkreise. Präsentieren auch Sie sich mit Werbung in der DEMO als Mitglied der kommunalen Familie.

Mit kommunalen Entscheidungsträgern in Kontakt kommen wollen beispielsweise die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, die Sparkassen Finanzgruppe und der Spielhallenanbieter Admiral - sie schalteten zuletzt eine Anzeige in dem SPD-Magazin. Bei einer Auflage von rund 26.000 Exemplaren kostet eine ganzseitige Farbanzeige stolze 4.480 Euro zzgl. MwSt. Heruntergerechnet auf 1.000 Exemplare sind dies rund 172 Euro.

Lammert kritisiert intransparenten Politsponsoring

Die vorherrschende Intransparenz der zum Teil horrenden Einnahmen aus dem Politsponsoring kritisiert sogar Bundestagspräsident Norbert Lammert. In seinem jüngsten Bericht über die Rechenschaftsberichte schreibt er: „Die Abbildung der hier auftretenden Geldbewegungen in den Rechenschaftsberichten schafft keine mit dem klassischen Parteispendenrecht vergleichbare Transparenz.“ Mögliche Einflussnahmen und Abhängigkeiten durch Sponsoring  können faktisch also nicht entdeckt werden.

Eine Initiative der Grünen zur Verschärfung der Transparenzregeln für Parteisponsoring wurde Anfang Dezember mit den Stimmen von Union und SPD abgelehnt. Als Reaktion auf die Rent-a-Sozi-Affäre hat die SPD nun aber einen Gesetzentwurf erarbeitet, durch den Sponsoringeinnahmen der Parteien transparenter werden sollen. Diese würden dann wie Parteispenden auch namentlich in den Rechenschaftsberichten aufgeführt, wenn sie einen Betrag von 10.000 Euro im Jahr übersteigen. Beträge über 50.000 Euro wären sofort zu veröffentlichen. Der SPD-Vorschlag ist aber allenfalls ein halbherziger Versuch - für weitreichende Transparenz taugt er nicht. Dafür sind die Grenzwerte viel zu hoch.

abgeordnetenwatch.de fordert deswegen, die Grenzen sehr viel niedriger anzusetzen: Sponsoringeinnahmen und Parteispenden müssten von den Parteien bereits ab 10.000 Euro unverzüglich öffentlich gemacht werden. In den Rechenschaftsberichten sollten sie schon ab 2.000 Euro namentlich vermerkt sein.


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