Politsponsoring im Bundestag: Mit Irreführungen gegen Transparenz

Wieviel zahlen Konzerne und Lobbyverbände, um mit ihrem Stand auf einem Parteitag vertreten zu sein? Beim Politsponsoring geht es um Millionensummen, deren Herkunft vollkommen im Dunkeln bleibt. Als der Bundestag jetzt über die RENTaSOZI-Affäre der SPD diskutierte, versuchten einige Redner, die Öffentlichkeit mit fragwürdigen Behauptungen in die Irre zu führen.

von Gast / gelöscht, 09.12.2016
Foto Plenardebatte im Bundestag

 

Foto Plenardebatte im Bundestag

 

 

Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel/photothek.ne
 

 

Die RENTaSOZI-Affäre hat das Problem des Politsponsorings wieder auf die Agenda gebracht. Unternehmen und Interessenverbände können auf diese Weise immense Beträge an die Parteien transferieren, ohne dass es die Öffentlichkeit mitbekommt (ein positiver Nebeneffekt aus Sicht der Wirtschaft: Sponsoringzahlungen lassen sich im Gegensatz zu klassischen Parteispenden als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen).

Vergangene Woche debattierte der Deutsche Bundestag über einen Gesetzentwurf der Grünen, der strenge Transparenzregeln für Sponsoringeinnahmen der Parteien vorsieht. Doch einige Abgeordnete aus dem Regierungslager stellten in der Debatte Behauptungen auf, die sich bei genauem Hinsehen als bloße Irreführung oder Ablenkungsmanöver entpuppen:  

  • Der CDU-Bundestagsabgeordnete Phillip Murmann etwa behauptete: „Sponsoring ist transparent.“

Stimmt – doch die Sponsoringeinnahmen sind es nicht. Und hier liegt das Problem: Denn niemand erfährt, wie viel ein Unternehmen an eine Partei zahlt, um beispielsweise mit einem Stand auf einem Parteitag vertreten zu sein. MONITOR-Recherchen von 2012 zeigten, dass Unternehmen auf diesem Wege teilweise hohe fünfstellige Beträge an eine Partei transferieren können. Ein weiteres Einfallstor für versteckte Lobbyistenzahlungen: Vollkommen überteuerte Anzeigen in Parteizeitungen.

Sehen Sie hier den MONITOR-Beitrag zu verdeckten Sponsoringzahlungen an Parteien:

  • Phillip Murmann behauptete: „Die Sponsoringeinnahmen werden in den Rechenschaftsberichten ausgewiesen.“   

Diese Aussage ist eine Irreführung, die Transparenz vortäuschen soll. Denn veröffentlichen müssen Parteien in ihren jährlichen Rechenschaftsberichten nur eine Gesamtsumme. Von der CDU erfahren wir zum Beispiel, dass sie zuletzt rund 12,4 Mio. Euro aus „Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit“ kassiert hat - hinter diesem Posten verbergen sich auch Sponsoringeinnahmen. Welches Unternehmen oder welcher Lobbyverband wieviel zahlte, steht nirgends. (Die SPD kassierte übrigens 12,8 Mio. Euro, die CSU 6,6 Mio. Euro, die Grünen 630.000 Euro und die Linken 240.000 Euro. Die Angaben stammen aus den Rechenschaftsberichten der Parteien von 2014, neuere Zahlen gibt es bislang nicht).
 

  • Phillip Murmann behauptete: „Mit immer mehr Bürokratie frustrieren Sie nur diejenigen, die noch bereit sind, solche Ämter zu übernehmen, und sich damit für unsere Demokratie einsetzen. Es ist bereits heute nicht einfach, Kandidaten für die Schatzmeisterämter zu finden.“  

Große Bürokratie?! Murmanns Partei CDU könnte einmal damit beginnen, eine Liste mit den Zahlungen der Lobbyisten ins Internet zu stellen, die in dieser Woche auf dem Essener Parteitag mit einem eigenen Stand die Nähe der Delegierten suchten – doch hierzu fehlt der Wille. Die Grünen etwa tun dies seit längerem. Und auch die SPD hat – als Konsequenz aus der RENTaSOZI-Affäre – angekündigt, ab dem kommenden Jahr ihre Sponsoringeinnahmen aus Standgebühren detailliert offenzulegen.
 

  • Michael Frieser von der CSU behauptete: "Alle Einnahmen aus diesen Geschäften – das gilt nicht nur für Parteitage – können eingesehen werden."  

Auch dies ist eine Irreführung, die Transparenz vortäuschen soll. Denn Zahlen einsehen kann allenfalls der Bundestagspräsident – und auch nur dann, wenn er einen schwerwiegenden Verdacht auf Unregelmäßigkeiten hat. So sieht es § 23a Abs. 3 des Parteiengesetzes vor. Die Öffentlichkeit hat natürlich keine Möglichkeit, „alle Einnahmen aus diesen Geschäften“ einzusehen.

 

  • Die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher erklärte: „Die Ehrenamtlichen müssen einen immensen bürokratischen Aufwand leisten, um zum Beispiel die Brötchen für 40 Euro, die der regionale Bäcker zum Kinderfest geschenkt hat, und die Würstchen für 90 Euro, die der regionale Metzger zum Sommerfest unentgeltlich geliefert hat, auszuweisen.“

Auch dies führt am Kern der Sache vorbei. Denn das Problem ist nicht eine 90 Euro-Würstchenspende auf einem SPD-Sommerfest, sondern Sponsoringzahlungen von finanzstarken Unternehmen und Interessenverbänden, die bislang vollkommen im Dunkeln bleiben. Und auch die Logik von Fograschers Argument überzeugt nicht wirklich: Ja, schon jetzt müssen Parteien erfassen, wenn ihnen der örtliche Bäcker einen Korb voll Brötchen überlässt, wie uns die Bundestagsverwaltung auf Anfrage bestätigte. Denn eine Brötchenspende gilt in aller Regel als eine gebräuchliche Form des Sponsoring, die nach den geltenden Vorschriften als „Einnahme aus Veranstaltungen“ zu verbuchen ist. Sehr viel mehr bürokratischer Aufwand würde aber nicht dadurch anfallen, dass eine Partei nun auch noch den Namen des Bäckers notieren müsste (aber wie gesagt: das Problem ist nicht der Bäcker).
 

Der Grünen-Antrag über die Einführung von Transparenzregeln wurde am vergangenen Donnerstag übrigens nicht angenommen. CDU/CSU und SPD setzten mit ihrer Stimmenmehrheit durch, das Thema in die zuständigen Ausschüsse zu überweisen – und dort dürfte bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nichts mehr passieren. Die Erkenntnis aus der Bundestagsdebatte zum Politsponsoring: CDU und CSU verweigern sich nachwievor jeglichen Transparenzregeln. Die SPD sagt, sie hätte gerne mehr Transparenz, könne aber wegen ihres Koalitionspartners nicht (will aber künftig zumindest auf freiwilliger Basis ihre Einkünfte aus Standmieten offenlegen). Und die Opposition ist mal wieder mit einem Antrag gescheitert, der mehr Einblick in die finanziellen Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft bringen sollte.

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Mitarbeit: Martin Reyher

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