600.000 Euro-Spenden an SPD-Ortsverein gestückelt - Staatsanwaltschaft ermittelt [Update]

Ein kleiner SPD-Ortsverein hat seit 2013 mehr als 600.000 Euro an Spenden aus der Immobilienwirtschaft erhalten – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die horrenden Spenden wurden offenbar so gestückelt, dass sie bis jetzt unentdeckt blieben. Der Fall hat inzwischen auch die Bundestagsverwaltung auf den Plan gerufen [Update 18. Januar 2017: Der Regensburger Oberbürgermeister ist in diesem Zusammenhang wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verhaftet worden, s.u.].

von Martin Reyher, 27.06.2016
Symbolfoto Unternehmensspenden

SPD-Großspender, das waren bislang so bekannte Konzerne wie EADS, Allianz oder die Deutsche Vermögensberatung AG. Nun stellt sich heraus: Auch drei Immobilienunternehmen aus Regensburg gehören offenbar zum Kreis der potenten SPD-Unterstützer. Seit 2013 sollen sie zusammen mehr als 600.000 an den SPD-Ortsverein Regensburg Süd überwiesen haben, was bis jetzt jedoch unentdeckt blieb.

Warum das viele Geld von den drei Unternehmen an genau diesen Ortsverein floss, dürfte mit dessen Vorsitzenden zu tun haben: Es ist der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD), der 2014 die OB-Wahl gewonnen hatte. Sein damaliger Wahlkampf soll äußerst teuer gewiesen sein. Laut Medienberichten gab Wolbergs mehr als 800.000 Euro aus.

Nun steht der Verdacht im Raum, die Immobilienunternehmen könnten sich mit ihren Spenden Vorteile verschafft haben. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat deswegen Mitte Juni Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung eingeleitet und Geschäfts- und Privaträume durchsuchen lassen. Wegen des Verdachts der Vorteilsannahme wird außerdem gegen Oberbürgermeister Wolbergs ermittelt, der seine Unschuld beteuert. Der Regensburger Oberstaatsanwalt Theo Ziegler erklärte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage, dass seine Behörde „grundsätzlich den gesamten Komplex“ untersuche – was also nicht nur Parteispenden einschließen würde, sondern auch mögliche andere Geldflüsse, etwa Zahlungen im Rahmen von Politsponsoring.

Die finanzielle Dimension des Falles ist enorm

Die finanzielle Dimension des Falles wird deutlich, wenn man die jetzt bekannt gewordenen Zahlungen mit denen von traditionellen SPD-Spendern aus der Großindustrie ins Verhältnis setzt. In Regenburg kassierte der dortige Ortsverein aus dem Umfeld der drei örtlichen Immobilienunternehmen seit 2013 insgesamt 618.000 Euro (laut Medienberichten kam das Geld von Einzelpersonen bzw. Gesellschaften). Im selben Zeitraum spendeten beispielsweise Daimler, BMW und Evonik, soweit öffentlich bekannt, der Partei insgesamt rund 687.000 Euro.

Dass die Großspenden aus der Immobilienwirtschaft bislang nicht weiter aufgefallen waren, hat einen einfachen Grund: Laut Staatsanwaltschaft soll die ungewöhnlich hohe Spendensumme in Einzelbeträge unter 10.000 Euro gestückelt worden sein. Auf diese Weise lassen sich hohe Beträge verbergen, da Parteien erst bei einer Spende ab 10.000 Euro offenlegen müssen, von wem das Geld stammt. Die Regensburger Staatsanwaltschaft geht außerdem Hinweisen nach, wonach das Geld über Strohmänner an die SPD geflossen ist. Es bestehe der Verdacht, dass Mitarbeiter eines Bauunternehmens privat gespendet und das Geld hinterher von ihrem Arbeitgeber als Gehaltszuschlag zurückerhalten hätten, so die Ermittlungsbehörde.

Der Regensburger Fall weist Ähnlichkeiten mit einem Parteispendenskandal in Berlin auf, der kürzlich öffentlich geworden war. In der Hauptstadt hatte der Immobilienunternehmer Klaus Groth 100.000 Euro an die beiden Koalitionsparteien SPD und CDU gespendet – ebenfalls in Form von Einzelspenden unterhalb der Veröffentlichungsgrenze. Ein Teil der Zuwendungen floss an den SPD-Kreisverband Lichtenberg, für den der Berliner Bausenator Andreas Geisel bei der Abgeordnetenhauswahl im September als Spitzenkandidat antritt.

Wie der Skandal ans Licht kam

Die jüngsten Skandale in Regensburg und Berlin belegen einmal mehr, wie untauglich die bestehenden Transparenzregeln sind, um der Verschleierung von Großspenden vorzubeugen. Die gestückelten Großspenden der Regensburger Immobilienunternehmen an den SPD-Ortsverein kamen nur deshalb ans Licht, weil dem Landesschatzmeister der Bayern-SPD, der als Staatsanwalt arbeitet, die ungewöhnlich hohen Summen aufgefallen waren. Seine Beobachtungen teilte er daraufhin seinem Vorgesetzten mit. Tue er dies nicht, so der ehrenamtliche Landesschatzmeister und Staatsanwalt Thomas Goger, spiele er mit seinem Job.

Dabei gibt es ein einfaches und wirksames Mittel, um das Verschleiern großer Spendensummen so gut wie unmöglich zu machen: Müssten Parteien, so wie es abgeordnetenwatch.de und andere Transparenzinitiativen fordern, ihre Spender bereits ab einem Betrag von 2.000 Euro namentlich aufführen, wäre das Stückeln hoher Summen in kleine Einzelbeträge kaum mehr praktikabel. Union und SPD haben bislang keine Anstalten gemacht, die Veröffentlichungsgrenze abzusenken – ungeachtet der wiederholten Aufforderung durch den Europarat. Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) Deutschland wegen fehlender Transparenzregeln in diesem und in anderen Punkten gerügt.

Unterdessen hat der Regensburger Parteispendenskandal auch die Bundestagsverwaltung erreicht. Ein Parlamentssprecher erklärte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage, „dass der Vorgang von der Bundestagsverwaltung aufgegriffen wird.“ Man wolle zunächst das Ermittlungsverfahren abwarten um zu sehen, ob etwa der Tatbestand einer Einflussspende erfüllt worden ist. „Die mit deutlich weiterreichenden Befugnissen ausgestattete Staatsanwaltschaft wird um Amtshilfe gebeten,“ so der Bundestagssprecher.
 

Update I vom 15. August 2016:

Die Zeitung Die Welt berichtete in ihrer Samstagsausgabe über Einzelheiten zu den Spenden aus dem Umfeld der Bauunternehmen. Demnach hätten zahlreiche Privatpersonen aus dem nahen Umfeld eines bekannten Regensburger Bauunternehmers Beträge knapp unter 10.000 Euro gespendet. "Da war die Ehefrau, Schwägerin und der Bruder des einen Bauträgers genauso als Spender aufgelistet wie die Ehefrau, die Schwiegermutter und fast das gesamte leitende Personal eines anderen Bauträgers." Eine weiteren Baufirma "erschien mit zahlreichen der insgesamt 60 GmbHs, die in der Unternehmensgruppe vereint sind, als Spender", so die Welt.

Nach Angaben der Zeitung hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen inzwischen ausgeweitet und prüft nun auch die künftige Besetzung der städtischen Tochter Stadtbau GmbH. Grund ist ein Wechsel an der Spitze des öffentlichen Unternehmens zum 1. September. Der künftige Chef sei bislang in der Privatwirtschaft tätig gewesen – "bei einem der Bauunternehmen, die an Wolbergs spendeten".
 

Update II vom 18. Januar 2017:

Der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft Regensburg verhaftet worden, er sitzt in Untersuchungshaft. Inhaftiert wurden zudem der Immobilienunternehmer Volker Tretzel sowie der Technische Leiter der Stadtbau Regensburg, Franz Wild. "Dem Oberbürgermeister wird Bestechlichkeit, dem mitbeschuldigten Bauunternehmer Bestechung und dem weiteren Beschuldigten Beihilfe zur Bestechung vorgeworfen," teilte die Staatsanwaltschaft laut eines Presseberichts mit.

 

Update III vom 4. Juli 2019:

Das Landgericht Regensburg hat den suspendierten SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs in zwei Fällen der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit Parteispenden in den Jahren 2015 und 2016 schuldig gesprochen. Für eine Verurteilung insbesondere wegen Bestechlichkeit oder Annahme privater Vorteile habe die Kammer "trotz intensiver Sachverhaltsaufklärung keine Grundlage gefunden", teilte das Gericht mit. Wolbergs bleibt straffrei. Der Bauunternehmer und Parteispender Volker Tretzel erhielt eine Bewährungsstrafe von 10 Monaten und eine Geldauflage von 500.000 Euro, sein Mitarbeiter Franz W. eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 25 Euro. 

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