"Spendenwaschanlage": Lammert warnte schon 2013 vor dubiosen Wahlkampfhilfen wie im Fall der AfD

Zwölf "besorgte Bürgerinnen und Bürger" haben eine teure Wahlkampagne zugunsten der AfD finanziert, jetzt steht der Verdacht einer illegalen Parteispende im Raum. Vor Fällen wie diesen hat Bundestagspräsident Norbert Lammert schon 2013 mit drastischen Worten gewarnt. Einige Jahre zuvor war er selbst wegen einer CDU-nahen Unterstützerinitiative in die Schlagzeilen geraten.

von Martin Reyher, 08.03.2016

"Hetz-Flyer schüren Verdacht auf illegale Parteispende" ist ein SPIEGEL-Bericht vom vergangenen Wochenende überschrieben, in dem es um eine fragwürdige AfD-Wahlkampfunterstützung aus dem Umfeld der Partei ging. Anonyme Spender - nach Angaben der Initiatoren zwölf "besorgte Bürgerinnen und Bürger" - haben demnach mit Plakaten und Gratiszeitungen ("Extra-Blatt für die Landtagswahl") Wahlwerbung für die Alternative für Deutschland gemacht, was möglicherweise eine illegale Parteispende darstellt. Denn auf diese Weise könnten die für Parteien geltenden Transparenzpflichten zur Offenlegung von Großspenden bewusst umgangen worden sein. Laut einem Medienbericht soll die Kampagne zu den anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehrere Hunderttausend Euro gekostet haben. Parteispenden in einer solchen Höhe wären unverzüglich zu veröffentlichen.

Bundestagsverwaltung leitet Prüfung ein

Inzwischen hat die Bundestagsverwaltung eine Sachverhaltsklärung eingeleitet, berichtet Lobbycontrol. Das ist insofern nicht ungewöhnlich, als dass die Verwaltung  in der Vergangenheit immer wieder nach Medienberichten tätig geworden ist, etwa im Zusammenhang mit dem Steinbrück-Unterstützerportal Peerblog (s. auch unseren Hintergrundbericht) oder bei fragwürdigen Angaben im FDP-Rechenschaftsbericht des Jahres 2013. Meist können die Beamten keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz erkennen und schließen die Akten dann wieder.

Alle zwei Jahre legt Bundestagspräsident Norbert Lammert einen umfangreichen Prüfbericht vor, zuletzt 2013 (pdf). Schon damals sorgte sich Lammert um eine mögliche Verschleierung von Großspenden.

"'Spendenwaschanlagen' zur Verschleierung hoher Unterstützungszahlungen"

Der Bundestagspräsident sah in dem verstärkten Auftreten rechtlich eigenständiger Parteiunterstützungsvereine - wie jetzt im Fall der AfD - "eine gewisse Gefahr", da diese nicht den im Parteiengesetz festgelegten Offenlegungspflichten unterlägen. "Drastisch formuliert lässt sich feststellen", so Lammert in seinem damaligen Bericht an den Bundestag, "dass sich solche Vereine durchaus als 'Spendenwaschanlagen' zur Verschleierung hoher - womöglich als Parteispenden sogar unzulässiger - Unterstützungszahlungen eignet."

Eine "Norbert-Lammert-Wählerinitiative" blieb ohne Beanstandung

Einige Jahre zuvor war der Bundestagspräsident wegen einer solchen Initiative selbst in die Schlagzeilen geraten, und zwar im Zusammenhang mit seiner Bundestagskandidatur von 2009. Damals hatte sich eine unabhängig auftretende "Norbert-Lammert-Wählerinitiative" gegründet, die - wie sich herausstellte - finanziell von der CDU gefördert wurde. Konsequenzen hatte die Sache damals keine. Es hätten sich "keine Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß gegen parteienrechtliche Vorgaben feststellen lassen", hieß es in dem Prüfbericht von 2013, verfasst von: Norbert Lammert.

Am Beispiel der Lammert-Wahlinitiative zeigt sich die Problematik, ausgerechnet den Bundestagspräsidenten mit der Überprüfung von möglichen Verstößen gegen Transparenz- und Spendenvorschriften zu betrauen. Das sieht auch Norbert Lammert so, der diese Prüftätigkeit nach eigenen Angaben lieber früher als später loswerden will. Denn ein Bundestagspräsident sei "in aller Regel nicht nur Mitglied einer Fraktion, sondern auch einer Partei", wodurch die "erwartete Objektivität seines Urteils in Zweifel gezogen werden" könne, so Lammert. "Die Besorgnis der Befangenheit kann dabei stets - verdeckt oder offen - reklamiert werden, gleichgültig, ob die Partei des Präsidenten oder eine konkurrierende Partei im Fokus einer Untersuchung steht".

Bundestagspräsident will Prüfung gerne abgeben - doch er darf nicht

Lammerts Appell an die Fraktionen, eine andere Instanz mit der Prüfung zu betrauen, lassen diese allerdings seit Jahren ungehört verpuffen. Der Grund dafür ist offensichtlich: Würden Union und SPD in diesem Punkt das Parteiengesetz ändern, würden sie ein großes Fass aufmachen - und sich dann auch mit anderen seit Jahren angemahnten Transparenzforderungen beschäftigen müssen. Gegen deren Umsetzung wehren sich insbesondere CDU und CSU beharrlich.

Und so wird Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein CDU-Mitglied, auch im Fall der Konkurrenzpartei AfD prüfen und entscheiden müssen, ob es sich bei der Wahlkampfunterstützung aus dem AfD-Umfeld um eine illegale Spende nach dem Parteiengesetz handelt oder nicht. Dass Lammert dabei die gebotene Objektivität vermissen lassen könnte, ist indes nicht zu erwarten.

Dass der Bundestag einen Verstoß durch die AfD feststellt, wäre eine Überraschung

Eine Überraschung wäre es allerdings, wenn Lammert und seine Beamten am Ende zu dem Ergebnis kommen würden, die AfD habe gegen das Parteiengesetz verstoßen. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn nachgewiesen würde, dass die Parteiführung von den anonymen Spenden für die Wahlkampagne gewusst hat. AfD-Chefin Frauke Petry ließ eine entsprechende SPIEGEL-Anfrage unbeantwortet. Als gesichert gilt bislang, dass der Chefredakteur der Wahlkampfpostille "Extra-Blatt", ein AfD-Mitglied, schon mehrmals geschäftlich von der Alternative für Deutschland profitiert und Publikationen für die Partei erstellt hat. Dessen Polifakt Medien GmbH gab u.a. im Juni 2015 eine "AfD-Parteitagsausgabe" heraus, die im Inneren als "AfD-Bürgerzeitung" beworben wird. Auch dass die beiden AfD-Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit Interviews in den Gratisblättern zu den anstehenden Landtagswahlen auftauchen, lässt zumindest eine Kenntnis von der Unterstützungskampagne nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen.

Dass die laufende "Sachverhaltsklärung" der Bundestagsverwaltung aller Wahrscheinlichkeit nach ohne Folgen bleiben wird, könnte auch mit einem fehlenden Antrieb von Lammert und seinen Beamten zu tun haben. Gegenüber dem SPIEGEL beklagte die Parteienrechtlerin Sophie Lenski von der Universität Konstanz, die Parlamentsverwaltung lege ein "bedauerlich geringes Interesse an investigativer Kontrollarbeit" an den Tag.

Update 14. Juni 2016:

Die fragwürdige Wahlkampfunterstützung aus dem Parteiumfeld hat für die AfD vorerst keine juristischen Konsequenzen. Die Bundestagsverwaltung hat ihre Sachverhaltsklärung, die sie wegen des Verdachts auf illegale Parteispenden eingeleitet hatte, abgeschlossen und den Fall zu den Akten gelegt. Eine Parlamentssprecherin erklärte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage:

"Die Bundestagsverwaltung hat die Prüfung der Frage, ob die Wahlkampfunterstützung für die AfD mit Plakaten und Gratiszeitungen der Partei als eine Einnahme zuzurechnen ist, zwischenzeitlich - vorbehaltlich neuer Erkenntnisse - abgeschlossen. Die Darstellung der Partei, der zufolge es sich bei der Werbekampagne nicht um eine mit der Partei abgestimmte Aktion, sondern um eine so genannte Parallelaktion gehandelt habe, ist seitens der Bundestagsverwaltung mangels anderweitiger Erkenntnisse nicht zu widerlegen."

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