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Neues Internetportal macht Gutachten zu TTIP, Lobbyismus und Nacktbaden durchsuchbar

Jahrelang hielt der Bundestag tausende Gutachten unter Verschluss, kürzlich hat er sie unter dem Druck von zahlreichen Bürgeranfragen ins Internet gestellt. Das Problem: Die Dokumente sind auf bundestag.de schlecht auffindbar und nicht durchsuchbar. Deswegen haben die Aktivisten von FragDenStaat.de nun ein neues Portal gestartet: Unter sehrgutachten.de lassen sich die gewünschten Informationen spielend leicht finden - sei es zu Lobbyismus, TTIP oder skurrilen Themen wie dem Nacktbaden auf Nachbargrundstücken.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 08.03.2016

 

Von Arne Semsrott*

Nach dem Erfolg von #FragDenBundestag, einem Gemeinschaftsprojekt von abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de, hat der Deutsche Bundestag inzwischen mehr als 1.500 Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes auf seine Webseite gestellt.

Da die Dokumente jedoch auf der Bundestags-Webseite nur als reine Linksammlung verfügbar sind, bildet die neue Plattform sehrgutachten.de ab sofort alle bereits veröffentlichten Gutachten in einer Datenbank ab. Auf der Seite, die von der Open Knowledge Foundation Deutschland betrieben wird, sind sie im Volltext durchsuchbar, können per Feed abonniert und unter anderem von Abgeordneten selbst, Journalisten und Entwicklerinnen weitergenutzt werden. Auch eine wissenschaftliche Analyse der Gutachten ist möglich, da alle Dokumente neben der PDF-Version gleichzeitig automatisch als .txt- und .json-Version vorliegen.

Missbrauch des Wissenschaftlichen Dienstes für Doktorarbeiten und Schrebergärten

In der Datenbank ist auch das neunseitige Gutachten „Zu den rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück“ zu finden, das 2005 von einer im Dokument nicht genannten Person im Bundestag in Auftrag gegeben wurde. Die Ausarbeitung ist deswegen besonders interessant, weil sie mutmaßlich für den Nachbarschaftsstreit eines Abgeordneten genutzt wurde und nicht wie vorgesehen für die parlamentarische Arbeit.

Das Gutachten prüft ausführlich, unter welchen Umständen das Nacktbaden in einem benachbarten Grundstück eines Schrebergartens eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit sein könnte und ob „eine Anzeige bei den entsprechenden Behörden erfolgversprechend sein könnte.“ Ergebnis: Vermutlich würde eine Anzeige ins Leere laufen, jedoch könne über die Satzung des Schrebergartenvereins das Nacktbaden geregelt werden.

Ungeklärte Fragen zum Urheberrecht der Dokumente

Der Wissenschaftliche Dienst erarbeitet Gutachten mit seinen etwa 100 Mitarbeiterinnen in der Regel auf Anfrage von Bundestagsabgeordneten und -ausschüssen. Dabei prüft er nicht, ob der Inhalt auch für parlamentarische Arbeit genutzt wird, wie sich aus dem „internen Leitfaden“ des Bundestags erschließt. Das wurde bereits im Zusammenhang mit der Plagiatsaffäre von Ex-Minister zu Guttenberg deutlich, der den Wissenschaftlichen Dienst zu Themen seiner verfassungsrechtlichen Dissertation arbeiten ließ. Die dazugehörigen Gutachten sind noch nicht online zu finden.

In Bezug auf netzpolitische Themen finden sich Dutzende Dokumente in der Datenbank des Bundestags, darunter zu Lobbyismus, Parteispenden oder TTIP.

Der Bundestag hat angekündigt, schrittweise tausende Gutachten aus den letzten Jahren online zu veröffentlichen und zudem alle neuen Ausarbeitungen nach einer Schonfrist von vier Wochen ebenfalls auf seiner Webseite bereitzustellen. Dabei ist aber noch unklar, wie es der Bundestag mit der Weiternutzung der Gutachten hält und ob er gerichtlich gegen Plattformen wie sehrgutachten.de oder Personen vorgehen würde, die die Gutachten anderweitig nutzen. Auf seiner Webseite weist er daraufhin, dass für alle Inhalte Haftungsausschluss und Urheberrechtsschutz gelte. Eine Presseanfrage von netzpolitik.org zur Durchsetzung des Urheberrechtsschutzes hat der Bundestag nicht beantwortet.

*Der Beitrag ist zunächst auf netzpolitik.org erschienen und wird hier in leicht abgewandelter Form veröffentlicht. Der Autor ist Projektleiter von sehrgutachten.de und setzt sich bei der Open Knowledge Foundation Deutschland für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Beteiligung ein.

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

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