Wie Ministerien uns mit horrenden Bearbeitungsgebühren abschrecken wollten [Update]

Die einen forderten Vorkasse, die anderen Gebühren für mehr als 30 Arbeitsstunden: Mit fragwürdigen Methoden haben einige Bundesministerien versucht, uns von einer Anfrage zu ihren Aufträgen an PR-Agenturen abzubringen. Als wir zunächst eine detaillierte Aufschlüsselung der Gebühren anforderten stellte sich heraus: Den angeblichen Verwaltungsaufwand gab es in den meisten Fällen gar nicht.

von Martin Reyher, 27.02.2016

Doch für andere Ressorts war unsere Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) alles andere als ein simples Auskunftsersuchen, zumindest erweckten sie diesen Anschein. Das Haus von Innenminister Thomas de Maizière schätzte seinen Verwaltungsaufwand vorab auf "ca. 70 Euro", das Verteidigungsministerium hielt sogar Gebühren in Höhe von "ca. 120 Euro" für angemessen - zahlbar per Vorkasse.

Plötzlich war von Gebühren keine Rede mehr

In diesem Fall hat man drei Möglichkeiten: Man zieht seinen Antrag zurück, man zahlt - oder man bittet das Ministerium, die Kosten detailliert aufzuschlüsseln (welcher Beamter braucht für welche Tätigkeit wie lange?). Wir entschieden uns für letzteres und fragten beim Verteidigungsministerium außerdem nach, welche Rechtsgrundlage es für die Zahlung von Gebühren per Vorkasse gebe.

Die Reaktionen der beiden Behörden fielen überraschend aus: Von den Gebühren war in ihren Antwortschreiben plötzlich keine Rede mehr, und eine rechtliche Grundlage für eine Zahlung per Vorkasse konnten die Beamten aus dem Ministerium von Ursula von der Leyen auch nicht vorlegen.

Mit der Gebührenkeule versuchte es auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung - und wie: "Nach unserer ersten Schätzung werden [für die Beantwortung Ihrer Frage] wenigstens Gebühren von etwa 30 Arbeitsstunden des gehobenen Diensts und 6 Arbeitsstunden des höheren Diensts anfallen." Laut Gebührenordnung des Bundes kämen bei den vorgesehenen Stundensätzen von 45 bzw. 60 Euro also Bearbeitungskosten in Höhe von sage und schreibe 1.710 Euro in Betracht. (Dass sein Ministerium Gebühren in einer solchen Höhe in der Praxis gar nicht erheben kann, weil diese bei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei 500 Euro gedeckelt sind, vergaß der Beamte allerdings mitzuteilen).

Angeblicher Verwaltungsaufwand von 36 Stunden

Auch im Fall des Bildungsministeriums stellte sich alsbald heraus, dass die großzügige Schätzung des Bearbeitungsaufwands ganz offenkundig nur einem Zweck diente: der Abschreckung. Denn auf die Bitte, den Arbeitsaufwand zunächst einmal detailliert aufzuschlüsseln, reagierten die Beamten aus dem Haus von Ministerin Johanna Wanka wie zuvor schon die Kollegen aus dem Innen- und dem Verteidigungsressort: Der tatsächliche Verwaltungsaufwand erwies sich plötzlich als derart gering, dass nun überhaupt keine Gebühren mehr fällig wurden.

Hartnäckig blieb dagegen das Bundesfamilienministerium. Genau 9:20 Stunden Arbeitszeit habe man bereits für die "Datenidentifizierung und -isolierung" aufgewendet, für diesen Aufwand entständen Gebühren in Höhe von 366,25 Euro (warum ein Ministerium schon einmal damit beginnt, Informationen herauszusuchen, obwohl der Fragesteller noch gar nicht erklärt hat, ob er die Anfrage angesichts der zu erwartenden Kosten überhaupt aufrecht erhält, steht auf einem anderen Papier).

Auf Anfrage des SPIEGEL, der in seiner aktuellen Ausgabe über den Fall berichtet, teilte das Haus von Manuela Schwesig mit, der Verwaltungsaufwand sei "erheblich" gewesen, da das Ministerium seit 2014 insgesamt 25 Aufträge an PR- und Kommunikationsagenturen vergeben habe. Andere Ressorts, so ein Sprecher des Familienministeriums, hätten von abgeordnetenwatch.de keine Gebühren erhoben, "weil sie 4 oder 6 Maßnahmen [Aufträge, d. Red.] hatten." Das stimmt allerdings nicht. Das Arbeitsministerium listete uns sogar 83 PR-Aufträge auf - ohne dafür einen einzigen Cent an Gebühren zu berechnen.

Unsere Anfrage an das Familienministerium haben wir angesichts der Kosten vorerst zurückgezogen [4. April 2016: Inzwischen haben wir die Informationen dennoch kostenlos erhalten, s. Nachtrag vom 4. April 2016].

Nachtrag vom 14. März 2016:

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat uns mit Schreiben vom 9. März 2016 einen Gebührenbescheid zukommen lassen, in dem für die Bearbeitung unserer IFG-Anfrage 430,50 Euro in Rechnung gestellt werden (48 Minuten für die Arbeit von zwei Beamten des höheren Dienstes sowie 8,5 Stunden für drei Mitarbeiter des gehobenen Dienstes). Aufgrund einer Höchstgrenze "können im vorliegenden Fall lediglich Kosten in Höhe von 250 Euro geltend gemacht werden", heißt es in dem Schreiben. Warum das Ministerium seit Zusendung der von uns erbetenen Dokumente am 21. Dezember 2015 zweieinhalb Monate (!) benötigte, um uns einen Gebührenbescheid zuzusenden, war dem Brief nicht zu entnehmen.

Nachtrag vom 4. April 2016:

Inzwischen liegt uns die Liste mit den PR-Aufträgen des Bundesfamilienministeriums vor, für die das Haus von Manuela Schwesig 366,25 Euro Gebühren verlangt hatte. Weil uns das unangemessen erschien, lehnten wir damals dankend ab. Dass wir die Informationen nun kostenlos erhalten haben ist einem Bürger zu verdanken, der unsere IFG-Anfrage erneut stellte und das Ministerium darauf hinwies, dass seine Anfrage gebührenfrei sein müsse, weil die Beamten die Daten bereits herausgesucht hätten. Das Familienministerium gab dem IFG-Antrag des Bürgers statt und dieser leitete uns die Liste weiter.

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