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Fracking-Petitionen im Bundestag - was haben sie gebracht?

Derzeit fragen wir im Namen von mehr als 187.000 Petitionszeichner*innen alle Bundestagsabgeordneten nach Ihrer Position zur Petition "Fracking gesetzlich verbieten". Doch nicht alle wollen ihren Standpunkt mitteilen. Begründung: Es gebe schließlich den Petitionsausschuss des Bundestages, die Bürgerinnen und Bürger sollten doch bitte dort eine Petition zum Frackingverbot einbringen. Was die Abgeordneten vermutlich nicht wissen: Bislang wurden schon 70 Petitionen mit der Forderung nach einem Frackingverbot beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht und abgeschlossen – doch was haben sie gebracht?

von Gast / gelöscht, 16.06.2015

Zunächst erstmal eine Zusammenfassung des Ablaufs der Petitionen im Bundestag:

  • Am 9.11.2011 startet Angela Eckstein die erste Bundestags-Petition mit der Forderung "Fracking gesetzlich verbieten"
  • Innerhalb von acht Wochen Zeichnungsfrist (heute sind es vier Wochen) haben 1.978 Personen die Petition gezeichnet.
  • Bis zur Behandlung im Petitionsausschuss haben noch 69 weitere Menschen Petitionen mit gleicher oder sehr ähnlicher Forderung an den Bundestag gerichtet. Alle 70 Petitionen zusammen erreichten 14.000 Unterschriften.
  • Im zweiten Halbjahr 2014 haben die Fachministerien Stellungnahmen zur Petition erarbeitet und an den Petitionsausschuss geschickt. Diese Stellungnahmen bilden die Grundlage für den Abschlussbericht, der nach Abschluss des Verfahrens an die Petentin geschickt und auf der Homepage veröffentlicht wird. Es finden sich darin überwiegend Allgemeinplätze, die auch in der Zeitung zu lesen waren und die Entschuldigung vorweg: "Der Petitionsausschuss bittet um Verständnis, dass nicht auf alle angesprochenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann." - Dabei ist die Petition 18 Wörter und die Begründung 52 Wörter lang.
  • Erst am 26.11.2014 wurden die 70 Petitionen im Petitionsausschuss beraten. Es stehen zwei Anträge zur Abstimmung: CDU/CSU und SPD stimmen für die Überweisung der Petitionen an die Bundesregierung "als Material". Grüne und Linke beantragten eine Überweisung "zur Erwägung".
  • Am 4.12.2014 kommen die 70 Petitionen als Sammelübersicht 127 zusammen mit 67 weiteren Petitionen zu Schuldrecht, Krankenversicherung, etc. ins Plenum des Bundestags, wo die Verfahren unter Tagesordnungspunkt 33 j ohne weitere Aussprache innerhalb von 22 Sekunden abgeschlossen werden. Es sind ca. 60 von 631 Bundestagsabgeordnete anwesend.

Die Behandlung der Petition läuft insgesamt alles andere als transparent. Die Ausschusssitzungen sind nicht öffentlich und Protokolle werden gegenüber der Öffentlichkeit ebenfalls geheim gehalten. Wer den Verlauf der Petition im Bundestag rekonstruieren möchte, muss sich auf eine lange Recherche begeben. Der Abschluss des Verfahrens im Plenum ist schlussendlich zwar öffentlich, aber ohne inhaltliche Debatte. Im folgenden Video sieht man die Tagesordnungspunkte, zu denen "keine Aussprache vorgesehen ist". Tagesordnungspunkt 33 j kommt von Minute 6:41 bis 7:03:

Etwa sechzig der 631 Bundestagsabgeordneten haben sich ins Plenum begeben, um diese scheinbar sehr lästige Formalität über die Bühne zu bringen. 1,8 Millionen Menschen sind auf der online-Petitionsplattform des Bundestags angemeldet, viele weitere senden Einzel- oder Sammelpetitionen per Post an den Petitionsausschuss. Wie viele die Petitionen unterschrieben haben, die am 4.12.2014 durchgewunken werden, kann man nur schätzen – ein paar hunderttausend dürften es sein – und sich fragen, warum die Petitionsverfahren so wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Petitionen sind in Deutschland ein Grundrecht, das in Artikel 17 Grundgesetz geregelt ist: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden." Der Bundestag wird außerdem noch in Artikel 45c GG dazu verpflichtet einen Ausschuss für die Bearbeitung von Petitionen einzurichten. Mit über 18.000 Petitionen pro Jahr ist die Petition ein wichtiges Instrument. Allerdings handelt es sich um "Bitten und Beschwerden". Vielen Anfragen wird z.B. entsprochen, indem ein Hinweis gegeben wird, wo der Antrag für das in der Petition geforderte zu finden ist. Etwa 9.500 Petitionen blieben 2014 noch übrig für die parlamentarische Beratung im Ausschuss - eine einzige davon wurde an die Bundesregierung übersandt mit der klaren Aufforderung, die Petition umzusetzen (s.S. 105 im Jahresbericht des Petitionsausschusses)

Wann wird aber aus einer Bitte von Bürgerinnen und Bürgern eine Forderung? Wie viele Menschen müssen für ein Anliegen sein, damit es im Bundestag umgesetzt wird? Die Mehrheit der Wahlberechtigten? Wie viele solcher Mehrheitsforderungen müssen im Bundestag abgelehnt worden sein, bis die Legitimationskette, die das in Artikel 20,2 GG festgelegte Demokratieprinzip fordert, gebrochen ist?

Die Forderung der Petition von Angela Eckstein - ein komplettes Verbot von Fracking - ist nicht nur von mittlerweile 14.000 Menschen unterstützt worden, sondern auch von über 500.000 auf campact.de und knapp 200.000 auf change.org. Damit war die erste Hürde für den neuen Petitions-Check von abgeordnetenwatch.de genommen. Im zweiten Schritt haben wir eine repräsentative Meinungsumfrage bei infratest-dimap in Auftrag gegeben, die ergab, dass sich 61% der Wahlbevölkerung in Deutschland für die Forderung der mindestens 500.000 Petitionszeichner*innen ausspricht. Deswegen haben wir im dritten Schritt alle 631 Bundestagsabgeordneten gebeten, zur Forderung der Petition Stellung zu beziehen mit der Möglichkeit diese Positionierung auch zu begründen. Gut ein Drittel der Bundestagsabgeordneten haben eine Stellungnahme abgegeben. Von denen, die nicht teilgenommen haben, haben wir zahlreiche Rückmeldungen bekommen, dass sie nicht teilnehmen wollen, weil nur der Petitionsausschuss legitimer Kanal für Petitionen sei und nur der Petitionsausschuss eine parlamentarische Behandlung der Petition garantieren könne.

Die Petition im Bundestag hat jedenfalls nicht das gewünschte Ziel erreicht: die Gesetzentwürfe, die aktuell zum Thema Fracking im Bundestag beraten werden, sehen explizit kein vollständiges Verbot von Fracking vor. Das Ergebnis der parlamentarischen Behandlung war die Übersendung der Petitionen "als Material". Es ist weder im Jahresbericht des Petitionsausschusses, noch auf der Internetplattform des Petitionsausschusses, noch auf den Seiten des Wirtschafts- oder Umweltministeriums ersichtlich, inwiefern das "Material" Einfluss auf den Gesetzentwurf gehabt hat. Mit zwei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz wollen wir da für Transparenz sorgen:

  • IFG-Anfrage an das Umweltministerium zur Verwendung der Fracking-Petition
  • IFG-Anfrage an das Wirtschaftsministerium zur Verwendung der Fracking-Petition

Beide IFG-Anfragen können "abonniert" werden, so dass Sie informiert werden, sobald eine Antwort des Ministeriums eintrifft. Auch die Petitionsstarterin Angela Eckstein weiß bis heute nicht, was aus ihren Petitionen bei den Ministerien geworden ist.

Zum Abschluss noch einmal als Erinnerung der Wortlaut von Art. 20,2 GG:

 

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."

Frau Eckstein hat übrigens die Petition an den Petitionsausschuss gerichtet, weil es noch keine Möglichkeit gibt, auf Bundesebene Volksinitiativen zu starten, wie sie in einem Interview mitteilte. Bis es die bundesweite Volksabstimmung gibt, wird der Petitions-Check Aufschluss darüber geben, ob die Mehrheit im Bundestag die Mehrheit der Bevölkerung bei wichtigen Themen widerspiegelt. Die Wählerinnen und Wähler können diese Informationen dann vor der nächsten Wahl für Ihre Wahlentscheidung nutzen.

 

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