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Erneuter Rüffel: Europarat mahnt Deutschland zu mehr Transparenz bei Parteispenden

Und jährlich grüßt das Murmeltier: Erneut hat die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) Deutschland wegen mangelnder Transparenz bei der Parteienfinanzierung kritisiert. Insbesondere Parteispenden würden viel zu spät veröffentlicht - vor allem in Wahljahren.

von Martin Reyher, 29.01.2015

Einmal im Jahr geht in Berlin ein blauer Brief aus Straßburg ein, dessen Tenor jedes Mal derselbe ist. Deutschland habe seine Hausaufgaben in Sachen Korruptionsbekämpfung nicht zufriedenstellend erledigt, rügt die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) dann - und es folgt eine detaillierte Auflistung darüber, was alles noch im Argen liegt.

Gestern nun hat GRECO seinen jüngsten "vorläufigen Umsetzungsbericht zu Deutschland" veröffentlicht, den inzwischen dritten seit 2011. Die darin aufgeführte Mängelliste ist zwar kürzer geworden, doch in vielen Punkten sehen die Korruptionsprüfer weiterhin "keine konkreten Fortschritte".

Weitgehend zufrieden ist GRECO, was die Fortschritte bei der Kriminalisierung von korrupten Abgeordneten, Richtern und Beamten angeht. Selbst am Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung haben die Korruptionsprüfer kaum etwas auszusetzen, obwohl dieses nach Einschätzung zahlreicher Experten in der Praxis weitgehend wirkungslos sein dürfte. 

Allerdings ist auch GRECO das viel kritisierte Hintertürchen nicht verborgen geblieben, das sich die Abgeordneten in den Gesetzestext geschrieben haben. Danach muss ein Staatsanwalt nämlich nachweisen können, dass eine korrupte Handlung "im Auftrag oder auf Weisung" erfolgt ist - und das dürfte oftmals nur schwer möglich sein. Auch GRECO gibt zu, dass dies "die Verfolgung der Straftat erschweren könnte". Deutschland solle daher die praktische Anwendung des Straftatbestands "fortdauernd [...] überprüfen, um festzustellen, ob dieses Tatbestandsmerkmal die wirksame Umsetzung der Gesetzesbestimmung erschwert und entfernt oder geändert werden muss", heißt es in dem jüngstem Evaluierungsbericht. (Unterzeichnen Sie hier unsere Petition für ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung ohne Schlupfloch)

"Keine konkreten Fortschritte erzielt"

Sehr viel größer ist die Kritik an Deutschland in Bezug auf die Parteienfinanzierung: "GRECO stellt fest, dass seit der Verabschiedung des Zweiten Vorläufigen Umsetzungsberichts [aus dem Oktober 2013] keine konkreten Fortschritte erzielt wurden," urteilt die Staatengruppe des Europarates in ihrem Bericht. Man habe "weiterhin starke Bedenken wegen der sehr begrenzten Aufmerksamkeit [der deutschen Behörden], die einige Empfehlungen zu Fragen von hoher Wichtigkeit erfahren".

Wenig bis nichts ist laut GRECO in den folgenden Punkten geschehen:

  • bei der unverzüglichen Veröffentlichung von Parteispenden, die unterhalb von 50.000 Euro liegen (derzeit müssen diese Zuwendungen erst in den Rechenschaftsberichten der Parteien mit bis zu zwei Jahren Verspätung offengelegt werden),
  • bei der deutlichen Absenkung des Grenzwertes für die Bekanntgabe von Spenden und Spendern (derzeit liegt die Veröffentlichungsgrenze bei 10.000 Euro), dem Verbot von anonymen Spenden
  • bei der Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten für den Wahlkampf auf Bundesebene, um die Namen von Spendern schon kurz nach den Wahlkämpfen verfügbar zu machen (bislang erscheinen Rechenschaftsberichte erst mit bis zu zwei Jahren Verspätung),
  • beim Spendenverbot an Abgeordnete und Kandidaten, die Parteimitglieder sind (existiert derzeit nicht), oder - alternativ - bei der Einführung eines Rechenschafts- und Offenlegungspflicht ähnlich der für Parteien (existiert derzeit nicht),
  • bei der strikten gesetzmäßigen Trennung zwischen der Finanzierung von Parteien einerseits und von Stiftungen und Fraktionen andererseits (existiert nicht),
  • bei der besseren Ausstattung der Bundestagsverwaltung, um die Aufsicht über die Parteienfinanzierung besser wahrnehmen zu können,
  • bei der Aufklärung möglicher Verstöße gegen die Verhaltensregeln im Hinblick auf Spenden an Abgeordnete, und sicherzustellen, dass diese Verstöße "wirksame, angemessene und abschreckende Strafen nach sich ziehen".

Ingesamt seien bislang sechs von sieben GRECO-Empfehlungen nur "teilweise umgesetzt" worden (was eine sehr wohlwollende Interpretation ist, s. Aufzählung). Bei einer Empfehlung - die Unabhängigkeit der von den Parteien beauftragten Rechnungsprüfer - sei überhaupt noch nichts passiert. Immerhin, so vermerken die Korruptionsprüfer in ihrem Bericht, habe der Bundestag "die anhängigen Empfehlungen erneut erörtert hat und plant, den Reflexionsprozess fortzuführen."

Die Staatengruppe fordert die deutschen Behörden in ihrem Bericht "nachdrücklich auf, die angestoßenen Debatten weiterzuführen und im Einklang mit den Empfehlungen geeignete Schritte zu unternehmen." Bis zum 31. Juli 2015 muss Deutschland gegenüber GRECO erklären, welche Schritte man zur Beseitigung der noch immer bestehenden Mängel unternommen hat. Der nächste blaue Brief kommt bestimmt.

Aus Sicht von abgeordnetenwatch.de muss der Bundestag dringend in folgenden Punkten tätig werden:

  • beim Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung muss das bestehende Schlupfloch geschlossen werden, konkret: die Formulierung "im Auftrag und auf Weisung" im Gesetzestext muss gestrichen werden. Unterschreiben Sie unsere Petition "Abgeordnetenbestechung bestrafen - ohne Schlupflöcher".
  • Parteispenden müssen bereits ab 10.000 Euro unverzüglich im Internet veröffentlicht werden und nicht erst ab 50.000 Euro.
  • Parteispenden von Unternehmen müssen verboten werden. Unterschreiben Sie hier unsere Petition "Lobbyistenspenden an Parteien verbieten".


Mitarbeit: Mathias Rakow

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

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